Marketing und Innovationen in der Modebranche | MTP e.V.

Keine Branche steht unter mehr Innovationszwang als die Modebranche. Der saisonale Turnus der Kollektionspräsentation und vier neue Selbsterfindungen jährlich müssen Wachstumsziele von Investoren befriedigen. Selbst ein mittleres Maß an Innovation bedeutet hier Stillstand.

Anhand des Logos und diverser Markenmerkmale wie Steppnaht, Rüschen, Perlen, Schwarz und Weiß als dominierende Farben, ist es zum Beispiel Karl Lagerfeld bei Chanel möglich, auf eine Rokoko-inspirierte Kollektion kaum ein Jahr später eine Kollektion folgen zu lassen, die ihre Inspiration aus dem Wilden Westen zieht.

Die zentrale Markenidentifikation über Emblem und Signatur bildet die Grundlage zur Schaffung ganzer Markenwelten und Kooperationen mit Unternehmen aus nicht direkt verwandten Branchen. Lizenzgeschäfte bedeuteten ursprünglich die Auslagerung einer Produktgruppe, d.h. ein Haute Couture Studio ließ Schuhe und Accessoires in einer Lederwarenmanufaktur fertigen, um diese dann selbst zu verkaufen. Der Grund war, dass sie weder das Know-How und Personal hatten, noch dies aufbauen wollten. Heutzutage gibt es Mobiltelefone von Kenzo (in Kooperation mit Nokia), Prada (von LG) und vielen anderen. Lamborghini erhält Interior von Versace und einen Eurocopter mit Hermès. Doch die Markenwelt findet hier noch nicht ihre Grenze: Prada bietet zum Mobiltelefon eigens komponierte Klingeltöne. Louis Vuitton produzierte persönliche Rundgänge durch ausgewählte Metropolen mit den Markenbotschaftern und unterstreicht damit seine kosmopolitische Identität. Dabei führen unter anderem Steffi Graf und Andre Agassi durch New York, sowie Keith Richards an für ihn emotionale Plätze in London. Die Kunden können sich in ihrem Leben und am Ort des Geschehens mit Idolen identifizieren.

Es ist individuell zu messen, ob eine neue Lizenz auch der Marke gerecht wird. Viele der Mobiltelefone sind nach wie vor schwarz und ähneln den Modellen, auf denen sie technisch basieren. Eine neue, schönere oder markante Hülle reicht hier nicht. Allein Prada hat es geschafft, durch zusätzlichen Content wie Klingeltönen und Hintergrundbildern die Markenwelt über den Kanal Mobiltelefon zu erweitern. In Zukunft werden mobile (und kosmopolitische) Kunden anspruchsvoller werden. Das mobile Endgerät kann dann als zentraler Kanal dienen: Kunden empfangen Werbung sowie Einladungen, führen Wunschlisten und zeigen diese Freunden, um Kaufempfehlungen einzuholen. Zu guter Letzt werden auch Käufe verwaltet sowie mögliche Garantiefälle (Reparaturen) organisiert oder Ergänzungskäufe (Portmonee zum Reisegepäck) mobil getätigt.

Doch wo die Marke neues Territorium betritt, warten auch Fallen oder Trittbrettfahrer. Durch das Web 2.0 haben sich Konsumenten daran gewöhnt, an der Gestaltung beteiligt zu werden. Wie schafft die Marke nun den Spagat zwischen kreativer Hoheit und Einbeziehung der (potentiellen) Kunden? Im Einzelhandel fällt dies leicht. Dort können und müssen Mitarbeiter direkt auf unerwünschtes Verhalten oder negative Faktoren Einfluss nehmen, um die Konsumentenerfahrung zu optimieren.

Auch hat das Handeln nicht die Reichweite wie im Internet, das nur schwer vergibt und nicht vergisst. Burberry hat das große Aufkommen der Streetstlye-Blogger und das Potenzial für die Marke erkannt und erschuf die Webseite „Art Of The Trench“. Hierfür wurden zahlreiche Menschen ausschließlich in Trenchcoats von Burberry photographiert und dort veröffentlicht. Alle Bilder sind hochwertig und zumindest zum überwiegenden Teil von professionellen Fotografen aufgenommen. Die Markengefolgschaft kann sich mit der Marke identifizieren und für zukünftige Einkäufe Inspiration sammeln.

Die Gretchenfrage zu kontinuierlichem Wachstumszwang der börsennotierten Unternehmen ist: Wie kann die Markenwelt expandieren, ohne dabei an Begehrlichkeit zu verlieren? Die Antwort liegt für Luxusunternehmen nicht in Shopping-Clubs, die eigene Wachstumsziele verfolgen und einer scheinheilig limitierten Kundengruppe Ware zu reduzierten Preisen anzubieten. Der Wert einer Luxusmarke kann nur erhalten und gesteigert werden, wenn Produkte und Markenwelt für die Stakeholder hohe Qualitätsansprüche erfüllen, und durch ihre (finanziell, geographisch oder stückzahlenmäßig) begrenzte Verfügbarkeit begehrenswert sind.

Autor:

Janosch Boesche

Branche, Innovation, Kollektionen, Kooperationen, Marketing, Mode
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