Solange Menschen gesund sind, interessieren sie Medikamente und präventive Maßnahmen kaum und auch die gut gemeinten Ratschläge und Werbeaktionen werden selten zur Kenntnis genommen. Dies ändert sich jedoch schnell, sobald ein gewisses Niveau an Unwohlsein erreicht wurde; der Wert der eigenen Gesundheit wird dann erst richtig geschätzt. Gerade in der heutigen Zeit nimmt das Wohlergehen eines Menschen einen immer höheren Stellenwert in der Gesellschaft ein und die medizinische Versorgung ist im Falle einer Krankheit der rettende Anker, auf den niemand mehr verzichten möchte.
Trotzt dieser Wichtigkeit von Medikamenten liegt das Ansehen von Mitarbeitern in Pharmakonzernen im Vergleich zu anderen Berufen in Deutschland weit hinten. Nach dem Allensbacher Archiv von 2008 liegt der Arzt mit 78% weiterhin auf Platz 1, der Apotheker mit 24% immerhin noch auf Platz 10, der Mitarbeiter eines Pharmakonzerns jedoch ist nicht mal mehr in der Liste aufgenommen worden. National genauso wie international hat es die deutsche Pharmabranche in vielen Bereichen nicht leicht sich zu behaupten. Einer der Gründe hierfür sind die immer strenger werdenden gesetzlichen Vorschriften, ein anderer ist die Tatsache, dass der pharmazeutische Markt einer der komplexesten ist.
Denkt man an Marketing, so fallen einem sofort die 4Ps des klassischen Marketings – Product, Place, Price und Promotion – ein. Kommt es jedoch zum Marketing in der Pharmaziebranche, so muss man diese Strategie zwangsläufig um 3Ps, auf eine 7P-Marketing-Strategie erweitern. Diese neuen drei Ps sind Player, Process und Positioning, wobei sich alle drei stark auf die Ärzte, Patienten und Pharmakonzerne konzentrieren. Player beinhaltet die Berücksichtigung der Erwartungen und Bedürfnisse aller Beteiligten, wohingegen Process das Verständnis der Prozesse und Kommunikationsprozesse der Betroffenen herausstellt. Das Positioning bringt die beiden vorher gegangenen Ps näher zusammen, indem hier die Positionierung der jeweiligen Gesundheitsleistung entsprechend der Player- und Process-Betrachtungen vorgeschrieben wird.
Neben dem klassischen Marketing gegenüber den direkten Kunden, wie dem Arzt, dem Apotheker und dem Patienten, müssen auch die sozialpolitischen Mächte und institutionellen Entscheidungsträger mit in die Überlegungen der verschiedenen Pharmaunternehmen einbezogen werden. Vor allem die intensive Auseinandersetzung mit Regierungsstellen, Preisbehörden und Krankenkassen ist von besonderer Wichtigkeit, um eine schnelle Zulassung des neuen Produkts und die möglichst optimalen Bedingungen für den Absatz am Markt zu schaffen. Von zunehmender Bedeutung ist auch die Vermarktung des Unternehmens selbst, um die Pharmabranche von ihrem doch recht schlechten Ruf zu lösen. Inzwischen haben sich schon einige Pharmaunternehmen zu Verbänden zusammengeschlossen, um den Problemen der heutigen Zeit und des Marktes gemeinsam entgegen zu schreiten. Hier sind zum Beispiel der Pharmakodex von VFA (Verband forschender Arzneimittelhersteller), BAH (Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller) und BPI (Bundesverband der pharmazeutischen Industrie) zu nennen.
Zusätzlich zu der Komplexität des Pharmamarktes herrscht hier ein besonders hoher Innovationsdruck. Die Ansprüche an ein Medikament steigen genauso stetig wie die Kosten für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, während die Produktdifferenzierung immer weiter schwindet. Das Risiko, dass ein erforschtes und entwickeltes Produkt nicht eingeführt wird, ist zudem sehr hoch und kann nur durch ausführliche wissenschaftliche, pharmaökologische und marktbasierte Daten und einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit vor allem mit medizinisch-wissenschaftlichen Abteilungen ein wenig reduziert werden.
Zusätzlich ist im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel im Laufe der letzten Jahre eine Bewegung weg vom Massenmarketing hin zum Relationship Marketing zu beobachten, bei dem der Pharmareferent eine wesentliche Rolle spielt. Dieser ist der wichtigste Dialogträger für das Unternehmen im personalisierten Relationship Marketing und macht um die 90 Prozent der Marketingausgaben eines Pharmaunternehmen aus. Dieses rührt daher, dass der Pharmareferent derjenige ist, der das Produkt mit selbstbewusstem Verhandlungsgeschick anpreisen und verkaufen muss und zudem derjenige ist, der direkte Reaktionen von Kunden aufnimmt und an das Unternehmen heranträgt.
Das Marketing in der Pharmaziebranche stellt eine integrale Querfunktion im Pharmaunternehmen dar, sodass das Marketingteam intensiv mit anderen Bereichen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zusammenarbeitet. Von besonderer Bedeutung ist vor allem die Zusammenarbeit mit der medizinisch-technischen Abteilung, um eine vollkommene Übereinstimmung der Daten mit der Interpretation eines Produktes zu sichern, um anschließend eine einheitliche Botschaft kommunizieren zu können. Aber auch die enge Kooperation mit der Rechtsabteilung ist unumgänglich, um die vorgegebenen Richtlinien einhalten zu können und rechtliche Probleme zu vermeiden. Insbesondere die rechtliche Absicherung ist ein sehr zeit- und ressourcenintensiver, aber dringend erforderlicher Prozess, der vom Marketingteam entsprechend berücksichtigt werden muss. Denn hier sind nicht nur die nationalen Arzneimittelgesetze, sondern auch das europäische und nationale Werbe- und Wettbewerbsrecht und die nationalen gewerblichen Schutzrechte einzeln, sondern alle in Kombination zu berücksichtigen.
Alles in allem ist das Marketing in der Pharmaziebranche ein sehr komplizierter Bereich, in dem es viele Vorschriften einzuhalten gilt, dennoch oder gerade deswegen seine besonderen Reize und interessante Aspekte zu bieten hat.
Autor:
Christin Bock
Quellen:
Harms, Fred; Drüner, Marc – Pharmamarketing
Oliver Schöffski, Franck-Ulrich Fricke, Werner Guminski „Pharmabetriebslehre“; „Pharmamarketing“ von Jana Wolf Sussmann
Trilling, Thomas: Pharmamarketing – Leitfaden für die tägliche Praxis, 2. Auflage, Springer