Wo liegen die Unterschiede von früheren Massenmedien zu den Heutigen?
Mit drei TV-Spots konnten Unternehmen 1965 80% aller Frauen zwischen 18-49 Jahren erreichen. Um das Gleiche zu erzielen müssen sie heute 97 Spots schalten. Medien sind stark fragmentiert nach Zielgruppen, es gibt ein viel größeres Angebot an Kanälen und Formaten sowohl im Fernsehen als auch bei Print und Hörfunk. Die Konsumenten haben zudem insgesamt einen höheren Medienkonsum.
Sind Social Networks wie Facebook, Twitter und Co., eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die Massenmedien?
Das sogenannte Web 2.0 hat einen steigenden Einfluss auf viele Konsumenten. Sie tauschen sich in Internet-Blogs und Foren über ihre Erfahrungen mit Produkten aus. Diese Art der „Word of Mouth“-Kommunikation gilt als glaubwürdig und beeinflusst oft die Kaufentscheidung für oder gegen eine bestimmte Marke. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie die Inhalte im Internet über ihr Produkt nicht mehr wie bei einem klassischem TV-Spot kontrollieren können.
Bei der Einführung der neuen „Pampers Dry Max“ in den USA musste der Konsumgüterhersteller P&G erleben, wie schnell sich Gerüchte über eine angebliche Unverträglichkeit der Windel in Internet-Foren für Mütter verbreiteten. Eine Facebook Gruppe die P&G zur Rückkehr zur vorherigen Windel bewegen wollte, hatte schnell 11,000 Mitglieder. Einzelne Eltern verklagten P&G. Klassische Medien wie Zeitung und Fernsehen berichteten ausführlich über die Aktion und erhöhten so die negative Berichterstattung. Dies blieb nicht ohne Konsequenzen für den Marktanteil und den Umsatz der Marke. Mittlerweile belegen unabhängige Untersuchungen die gesundheitliche Unbedenklichkeit der neuen Windel – aber der Imageschaden für die 8 Mrd. Dollar Marke Pampers bleibt.
Ich denke, Internet und damit die Social Networks müssen aufgrund der steigenden Bedeutung genauso systematisch in die Kommunikationsstrategie eine Unternehmens integriert werden wie die anderen, klassischen Kommunikationsinstrumente. Ersetzen wird Web 2.0 kurz- und mittelfristig die klassischen Medien nicht, v.a. nicht im Massenmärkten wie Shampoos und Bier.
Wie stehen Sie zu dem Argument, dass das Internet immer weniger Raum für Qualitätsjournalismus lässt?
Ich glaube, dass Informationsmedien insgesamt an Qualität und Vielfalt verlieren, da sich immer mehr Konsumenten statt eine Zeitung zu kaufen gratis im Internet informieren. Das Kostenbewusstsein für guten Journalismus schwindet und damit auch das Geschäftsmodell der werbefinanzierten Medien. Wenn die Zeit und das Geld für eine gründliche, individuelle Recherche fehlen, steht am Ende überall das Gleiche. Letztlich kann dies sogar die Demokratie gefährden, für die ein funktionierendes Informationssystem der Bürger wichtig ist.
Gegenfrage: Stehen aktuelle Massenmedien für Qualitätsjournalismus?
Sicher nicht alle. Aber gerade die durch den Wandel in der Mediennutzung der Konsumenten besonders negativ betroffenen Tageszeitungen sind bekannt für seriöse Nachrichtenerstattung, die Konsumenten oft auch mit regionalem Bezug informieren.
Was bedeutet der Medienwandel für die Konsumenten?
Der Medienwandel schreitet voran: Das Web verknüpft längst TV, Radio, Text und Bild, das Mobiltelefon wird immer mehr zum Unterhaltungs- und Informationszentrum. Der Konsument profitiert davon, weil durch den Mix aus Text und Bewegtbild ein völlig neues, individualisiertes Unterhaltungs- und Informationsangebot entsteht. Auf der anderen Seite ist der Konsument durch die andauernde Informationsflut oft völlig überfordert. Jeder Bundesbürger nimmt Untersuchungen zufolge von den etwa 3.000 Werbebotschaften, die täglich auf ihn niederprasseln, durchschnittlich nur 52, d.h. weniger als 2 % wahr. Klassischer Werbung steht er zudem immer skeptischer gegenüber. Deswegen auch die hohe Bedeutung der virtuellen Word of Mouth-Kommunikation.
Wie bewerten sie die Auswirkungen des Medienwandels auf den B2B-Bereich? Auch Unternehmen im B2B-Bereich nutzen das Internet, um sich gegenüber Kunden, Mitarbeitern, Investoren und der Öffentlichkeit zu präsentieren und müssen es in ihre Kommunikationsstrategie integrieren. Die persönliche Interaktion ist jedoch zumeist das wichtigste Kommunikationsmittel bei Geschäften zwischen Unternehmen, da Produkte, Services und Preise sehr oft individuell auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden. Dies wird auch in Zukunft so sein. Insofern sind die Auswirkungen des Medienwandels auf den B2B-Bereich geringer als im B2C-Bereich.
Wie wird Ihrer Meinung nach die deutsche Medienlandschaft 2020 aussehen?
Das ist schwer zu sagen. Ende der 90er Jahre mussten sich Marketers erstmals Gedanken zur Frage „Was bedeutet digitales Marketing“? machen. Heute muss man sich Gedanken darüber machen, wie man Web 2.0 und Social Media managed. Dies ist die nächste Generation von Internetmarketing und damit eine neue Herausforderung.
Der Umbruch der Medienwirtschaft ist im vollen Gange, ich erwarte neue, überraschende Konstellationen. Telekommunikationsanbieter wandern in das TV-Geschäft, Verlagshäuser entwickeln sich zu mächtigen Medienkonzernen. Digitale Medien und Geschäftsfelder können weiter ihren Umsatz am Werbevolumen überproportional steigern, sie werden bereits heute personell aufgestockt. Mobile Geräte werden den Konsumenten zukünftig noch viel stärker als heute durch sein tägliche Leben begleiten und vielfältigste Aufgaben der Kommunikation, Unterhaltung und Organisation übernehmen.
Wie bewerten Sie die Macht des Konsumenten durch die Medienmassen?
Die Macht des individuellen Konsumenten ist zweifellos gestiegen. Durch das Internet ist die Kommunikation schnell, kostengünstig und öffentlich möglich. Früher konnte der Konsument höchstens Hotlines anrufen um den Unternehmen Feedback zu geben, jedoch bekam sonst niemand mit, wie man als Kunde behandelt worden ist. Die Konsumenten haben zudem die Möglichkeit, sich zu Gruppen zusammenzuschließen und den Unternehmen die Meinung geschlossen mitzuteilen. Heute findet Feedback öffentlich statt.
Es gibt viel Feedback zu renommierten Marken und Unternehmen im Internet, z.B. bei online-Händlern von Eltern zu der Qualität der von ihnen gekauften Spielsachen. Diese neue Macht kann man als Konsument konstruktiv oder destruktiv nutzen. Es ist grundsätzlich natürlich positiv, dass der Konsument die Möglichkeit hat, sein individuelles Feedback z.B. zu einem Produkt zu geben. Andererseits wird diese Möglichkeit auch missbraucht. Es gibt viele falsche Informationen und Halbwissen in Blogs, was wiederum nicht zum Vorteil der Konsumenten ist. Die neue Einflussmöglichkeit bedeutet auch die Pflicht, verantwortlich mit ihr umzugehen.
Wir danken für das Interview!