Die Energiebranche gehört zu den größten Wirtschaftsbereichen Deutschlands. Doch Wirtschaftskrise und zunehmender Preiskampf machen auch den Energieversorgern zu schaffen. Besonders die „Großen“ der Branche haben mit der zunehmenden Wechselbereitschaft ihrer Kunden zu kämpfen. Neue Ansätze sind daher gefragt, um sich von anderen Anbietern abzuheben und Kunden langfristig zu binden.
Die Liberalisierung des Energiemarkts forderte eine neue konsequente Ausrichtung der Leistungen auf die Bedürfnisse der Nachfrager. Versorger wurden zu Dienstleistern und Abnehmer zu Kunden. So sind Verbraucher heute nicht mehr von regionalen Anbietern abhängig und können selbst entscheiden, von wem sie ihre Energie beziehen. Auch ein Wechsel ist leichter möglich.
Laut einer aktuellen Studie von TNS Infratest ist es für beinahe die Hälfte aller Befragten unwichtig, von welchem Anbieter sie ihre Energie beziehen. Der Grund für das geringe Involvement liegt in der Standardisierung und Immaterialität der Energieversorgung und der damit einhergehenden Anonymität. Dies macht es für die Unternehmen besonders schwierig, Kunden langfristig zu binden. Mit Wechselprämien und Slogans wie „Wechseln bringt Watt!“ versucht die Konkurrenz die Kunden zum Anbieterwechsel zu motivieren. Insbesondere günstigere Anbieter profitieren von der erhöhten Wechselbereitschaft der Kunden.
Immer mehr Energieversorger nutzen infolgedessen eine Mehrmarkenstrategie, um verschiedene Kundensegmente zu erreichen. So tritt beispielsweise die EnBW AG außerhalb ihres Heimatmarkts Baden-Württemberg mit der Tochtermarke Yello auf und richtet sich mit der Marke NaturEnergie an ökologisch orientierte Kunden. Gerade in Zeiten globaler Erwärmung wird vermehrt auf ein „grünes“ Marketing gesetzt, um das Involvement der Kunden zu steigern.
Darüber hinaus gewinnen zusätzliche Attribute und Dienstleistungen an Bedeutung, die die Anbieter an ihre Angebote knüpfen. Neben fassbaren Qualitätsmerkmalen wie Spannungsstabilität und niedrigen Stromausfallquoten bieten die meisten Energieversorger mittlerweile persönliche Beratung und Information im Internet, beispielsweise in Form von Online-Kundenportalen, an. Immer mehr Verbraucher wollen ihren Teil zur effizienten Energienutzung beitragen und finden auf solchen Kundenportalen viele hilfreiche Tipps zum Energiesparen und andere Möglichkeiten, ihren Energieverbrauch zu kontrollieren.
Auch Medien wie YouTube, Facebook, Twitter & Co. bergen großes Potential zur interaktiven Kommunikation mit den Nachfragern. Allerdings ist es wichtig, dabei glaubwürdig zu bleiben, sonst kann der Schuss nach hinten losgehen, wie kürzlich RWE erfahren musste: Ein in YouTube eingestellter Imagefilm der RWE AG, der einen Windräder pflanzenden grünen Riesen zeigt, wurde von Greenpeace mit den tatsächlichen Zahlen zu den Investitionen des Konzerns in erneuerbare Energien unterlegt, und der umweltfreundliche Klimaretter so kurzerhand in einen Umweltzerstörer verwandelt.
Um langfristig Vertrauen aufzubauen ist es daher wichtig, ein kongruentes Vorstellungsbild des Konzerns und seiner Leistungen bei den Nachfragern zu generieren. Wo früher die Energie an sich im Vordergrund stand, steht heute die ganzheitliche Marke.
Autorin:
Christina Hudelmayer
Quellen:
Thomas Kloubert: Energiemarketing – ein dienstleistungsorientierter Ansatz, in: Zeitschrift für Energiewirtschaft (Ausgabe 4/ 2000)
TNS Infratest Energiemarktforschung 2009: Wechselverhalten, Bedeutung der Marke und Kundenbindung im Strommarkt
Claire-Michelle Look, Thorsten Staake, Elgar Fleisch: Kundenportale in der Energiebranche: Bestandsaufnahme und Entwicklungspotenziale, in: Zeitschrift für Energiewirtschaft (Ausgabe 3/ 2009)
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