Auf der Grundlage bewährter Regeln, solider Erfahrungswerte und der richtigen Rollenverteilung können Marketer von der Dynamik sozialer Netzwerke planbar profitieren.
Produktkampagnen in sozialen Netzwerken – selbst vielen Top-Marketern kommt das noch immer vor wie eine Reise mit ungewissem Ausgang. Ihre große Sorge: Viel Geld auszugeben für etwas, was nicht nur den gewünschten Ergebnissen nicht entspricht sondern womöglich sogar ein desaströses Ende nimmt. Grund dafür sind die bekannten Negativbeispiele, die leider wesentlich nachhaltiger in Erinnerung bleiben als die großen und kleinen Erfolgsstories. Davon gibt es aber nicht eben wenige – und sie sind kein Produkt von Zufällen oder Geheimwissen. Sondern von einer kompetent geplanten Kampagnen- Strategie.
Im Laufe der letzten Jahre haben sich ausreichend Erfahrungswerte angesammelt, auf deren Grundlage ein erfolgreicher Ausgang von Social Media Kampagnen in kommerziell betriebenen Communities seriös planbar ist. Bewährt haben sich einige goldene Grundregeln, die sich auf die Rolle der handelnden Personen einerseits und die Haltung des Werbetreibenden andererseits beziehen – beides muss stimmen.
Und obwohl eine Social Media Kampagne im Verlauf eine ganz eigene, nicht vollends vorhersehbare Dynamik entfaltet, entscheidet genau wie bei einer klassischen Kampagne die Qualität der Vorphase über den Erfolg. Das fängt schon bei der Frage an, welche Abteilung auf Seiten des Community-Betreibers die Kampagne managen wird. Ist es die Vermarktungsabteilung? Dann Alarmstufe Rot! Nur in Händen des Community- Managements – also dort, wo die Besonderheiten des Netzwerks und dessen wichtigster Protagonisten hinlänglich bekannt sind – liegt die Kompetenz, Maßnahmen passgenau aufzusetzen.
Auch nur im Community-Management-Team kann nach eingehender Analyse beurteilt werden, ob das Thema der Kampagne und die Marke unter qualitativen und quantitativen Aspekten wirklich funktionieren werden. Ist das nicht der Fall, muss geprüft werden, ob sich die Kampagnenidee weiterentwickeln und anpassen lässt, bis sie wirklich maßgeschneidert zur jeweiligen Community passt.
Der Community-Manager wird dabei zu einer Art Transmissionsriemen, einem Übersetzer, der im intensiven Dialog das Vorhaben des Werbetreibenden weiterentwickelt. So weit, bis es mit den Erwartungen, Befindlichkeiten und Vorlieben seines Netzwerks übereinstimmt und alle Seiten etwas von den geplanten Maßnahmen haben. Gelingt das nicht, liegt es in der Verantwortung des Community-Managers, das Vorhaben im beiderseitigen Interesse abzulehnen. Das gilt auch, wenn Unternehmen schon in der Planungsphase zeigen, dass ihre Denkweise für die „Branding-orientierte Live-Steuerung“ einer Social Network Kampagne nicht reif ist – etwa weil es ihnen an Empathiefähigkeit, Offenheit oder Flexibilität fehlt.
Für diesen gemeinsamen Findungsprozess sollten alle Beteiligten ausreichend Zeit einplanen. Dabei spielt auch die Klärung der Zieldimensionen eine ganz besonders wichtige Rolle: Geht es darum, eine bestimmte Anzahl von Beiträgen zu erzeugen? Oder stehen Leads oder Follower im Mittelpunkt? Vielleicht geht es aber auch darum, unter SEO- Gesichtspunkten bestimmte Keyword-Umfelder zu schaffen? Bei der Präzisierung dessen, was realistisch erreichbar ist, taucht immer wieder ein zentrales Problem auf: Aufgrund ihrer Budgetierungspolitik sind große Unternehmen häufig nicht in der Lage, Social Media Kampagnen in ihren Etatstrukturen abzubilden. Hausaufgaben, die auf Seiten des Werbetreibenden erledigt werden müssen.
Bevor wir uns der Frage zuwenden, wie es mit der Planung der Social-Network-Kampagne weitergeht, schauen wir uns noch zusammen einige grundsätzliche Punkte an:
- Unternehmen, die sich für Social Media Marketing entscheiden, müssen vorher gelernt haben, loszulassen – es braucht die Bereitschaft zu einem „kontrollierten Kontrollverlust“. Auch sollte klar sein, dass es um ein zeitlich unbegrenztes Engagement geht, denn für Social-Media-Kommunikation gibt es keine „Babyklappe“. Will sagen: Der direkte Dialog mit Usern und Kunden lässt sich nicht einfach wieder beenden – wie bei der Entscheidung für ein Kind sollte klar sein, dass eine „Rückgabe“ nicht möglich ist und Freud und Leid immer dazugehören.
- Eine weitere Eigenschaft, die Unternehmen als Social-Media-Akteure mitbringen müssen, ist ihre Interaktionsfähigkeit. Dazu gehören Entschlussfreude und schnelle, angepasste Reaktionen. Manchmal ist auch die Fähigkeit Trumpf, nicht zu reagieren und sich in Gleichmut zu üben: Nämlich dann, wenn öffentlich Kritik in Netzwerken geübt wird. Insbesondere die Juristen sollten in solchen Fällen ruhig mal an der Leine bleiben.
- Social-Media-Plattformen sind nicht dazu geeignet, Unwahrheiten oder Ziel-Images zu verbreiten, die wenig mit der Realität zu tun haben. Transparenz, Aufrichtigkeit und Authentizität sind die obersten Gebote. Das gilt in der Konsequenz für das gesamte Unternehmen, allen voran das Top-Management. Das Vertuschen von Fehlern und Verantwortlichkeiten rächt sich über kurz oder lang, wenn sich das Unternehmen in sozialen Netzwerken engagiert (und nicht nur dann).
- Verbreitet herrscht die Annahme, nur perfekte Produkte könnten vor dem kritischen Urteil speziell der Meinungsbildner in den Communities bestehen. Ein Irrtum. Denn es ist durchaus möglich, selbst zu suboptimalen Produkten eine Geschichte zu entwickeln, die verkauft und funktioniert. Die Community lässt sich gerade bei der Verbesserung mit hinzu ziehen und wird so oftmals zu einem Botschafter des von ihnen entwickelten Produkts.
Zurück zu unserer Kampagnenplanung. Ist die Abstimmung der Maßnahmen zwischen dem Community-Manager und dem Werbetreibenden im Vorfeld soweit abgeschlossen, geht es an die Multiplikatoren im Netzwerk. Die fünf bis zehn wichtigsten Protagonisten, die als zentrale Experten die Meinung zu bestimmten Produkten und Marken dominieren, werden nun vertraulich um ihre Meinung zu den Inhalten der geplanten Kampagne gefragt.
Das Ziel ist es dabei nicht, sie als aktive Fürsprecher und Promoter innerhalb ihrer Gruppe zu gewinnen. Es geht lediglich darum, dass sie die Kampagne, die quasi auf ihrem angestammten Terrain stattfinden soll, akzeptieren. Ist das nicht der Fall, würden sie sehr schnell Netzwerk-öffentlich dagegen agitieren. Die Multiplikatoren erwarten auch Aussagen darüber, welche der möglichen Transaktionsstufen – vom Gewinnspiel bis hin zum Kreativ- Wettbewerb – für die Aktion vorgesehen ist. Gelingt es nicht, sie zu überzeugen, muss eine weitere Anpassungsschleife folgen. Solange, bis alle Seiten – Werbetreibender, Community-Manager und Multiplikatoren – ein Einverständnis hergestellt haben.
Sind diese Punkte alle geklärt, kann es losgehen. In dem Maße, wie die Kampagne ins Rollen kommt und das Monitoring positive Ergebnisse zeigt, wird das Unternehmen Vertrauen ins Netzwerk und das Community-Management entwickeln. Im besten Fall entsteht sogar der Wunsch, eine weitere Kampagne in der Community anzuschieben. Aber hier gilt, und das ist die letzte Regel für heute: Nur eine Kampagne zur Zeit! Die Zahl von Marketing-Aktionen, die ein soziales Netzwerk verträgt, lässt sich nicht beliebig ausweiten.
Autor:
Thomas H. Kaspar
Thomas H. Kaspar arbeitet als erster Community-Manager im Rang eines Chefredakteurs bei CHIP Online – mit über 12 Millionen Unique Usern im Monat die größte redaktionelle Webseite Deutschlands. Kaspar betreut für die CHIP Xonio Online GmbH zahlreiche Foren, Blogs und Community-Webseiten, in denen zusammen mehr als eine Million Nutzer angemeldet sind. Als Dozent für Webseiten-Entwicklung, Usability und Community- Management unterrichtet er unter anderem an der BA Ravensburg, an Journalistenschulen und beim VDZ (www.chip.de).