Commitment als Belohnungssystem | MTP e.V.

Commitment zu einer Marke benötigt klassischerweise positive Erfahrungen und kann ohne sie weder entstehen noch überdauern. Wenn es für den Kunden nichts Positives an einer Marke zu finden gibt, so hat er vermutlich Schwierigkeiten, sich für diese zu begeistern. Nimmt man das Beispiel eines hypothetischen Produktes, welches solch extrem negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, dass der Status quo faktisch für eine erweiterte Gruppe der Gesellschaft unhaltbar ist, so wird es nicht lange dauern, bis gegen die Ursachen mobil gemacht wird. So erzeugt auch die „schlechteste“ Marke Commitment – nur eben gegen sie gerichtetes.

Eine Konstante der menschlichen Natur bildet das Bestreben, eine haltbare Gesamtsituation zu schaffen. Möglichkeiten zur Verbesserung und der dazu nötige Aufwand werden gegeneinander abgewogen. Falls der Aufwand für die Erreichung eines Zieles den Nutzen nicht übersteigt, wird die Situation gemeinhin dementsprechend modifiziert. Sobald Möglichkeiten zur Verbesserung der momentanen Situation gegeben sind, und diese von vielen Leuten begrüßt werden, entsteht automatisch ein Markt für diese. Die Kunden wählen die sympathischsten Produkte aus.

Verfehlungen anderer können plötzlich zur Generierung eigener Qualitätsmerkmale herangezogen werden, indem man sich von den negativen Entwicklungen distanziert und Alternativen aufzeigt. Heutzutage ist beispielsweise „ohne künstliche Zusatzstoffe“ oder „ohne Geschmacksverstärker“ ein Prädikat. Auch der gesamte Bio-Markt nährt sich aus der Tatsache, dass aufgrund von Profitmaximierungsüberlegungen häufig eben nicht auf die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln verzichtet wird. Dinge, die vor 100 Jahren als selbstverständlich galten, werden so zu Alleinstellungsmerkmalen.

In den letzten Jahren trat im Bereich der Bio-Produkte das Problem des Etikettenschwindels auf, da entsprechend gepolte Kunden bereit sind, für diese erheblich höhere Preise zu zahlen. Die Auswirkungen sind bereits auf Mikroebene erkennbar: Es gibt Gruppierungen, die als so genannte Eier-Mafia in die Geschichte eingegangen sind. Von billig eingekauften Käfigeiern wird der Identifizierungscode abgewaschen, um diese dann neu gekennzeichnet gewinnbringend in auf bäuerlich getrimmten, mobilen Verkaufsstätten an den nichts- (oder doch?) ahnenden Kunden abzusetzen. Der auf Eiern angebrachte Identifizierungscode erlaubt die Rückverfolgung zum Produzenten. Der Heimathof der Hennen bleibt somit für gewöhnlich kein Geheimnis. Bei den Eiern der Eier-Mafia ist dieser Identifizierungscode jedoch meistens leicht verwischt. Dies fällt auch nicht weiter ins Gewicht, außer man bezieht die Begebenheit mit ins Kalkül, dass der Code auf jedem Ei durch eine Fügung des Schicksals immer in genau der gleichen Art und Weise unleserlich ist, also mit verwischtem Originalstempel aufgebracht wurde. Das Merkmal „Bio“, das mittlerweile in vielerlei Hinsicht den Status einer Marke erreicht hat, wird hier neben dem Commitment der Kunden schonungslos ausgebeutet. Die Eier sind gut gemachte Plagiate, die in ihrer Form und Beschaffenheit den Originalen in nichts nachstehen.

Das vorangegangene Beispiel zeigt auf, wie wichtig Vertrauen zum Anbieter ist. Begreift der Kunde, dass er auf die eine oder andere Art hintergangen wurde, so ist der Schaden für die Marke groß und der Kunde auf Dauer verloren. Allerdings sind Trittbrettfahrer nicht immer so leicht zu enttarnen wie die oben angesprochene Eier-Mafia. Verschiedene von den Produzenten unabhängige Qualitätssicherungskonzepte sind darum nötig, um die Einhaltung der den Kunden gegebenen Versprechen zu garantieren. Ein Produzent, der sich von Drittfirmen die Qualität seiner Produkte bescheinigen lässt, generiert Vertrauen, das eine stärkere Bindung des Kunden an die Marke zulässt. Der Kunde, der „Bio“ nicht nur als Produktbezeichnung, sondern als Lebenseinstellung sieht, ist ein sehr treuer. Darum lohnt sich Qualität. Der Bio-Kunde ist während des Kaufaktes im Bewusstsein, etwas Gutes für sich und die Welt zu tun. Diese periodisch wiederkehrenden positiven Erfahrungen und Gratifikationen sind für die langfristige Kundenbindung von äußerst hoher Bedeutung. Der Kunde hat eine aus ihm selbst hervorgehende Motivation, ein Bedürfnis. Ein Markt entsteht, und dieser wird vom Produzenten des jeweiligen Produktes bedient.

Hier wurde nun der Lebensmittel- und Bio-Markt exemplarisch für eine Produzenten-Kunden-Beziehung herangezogen, in der das Bedürfnis für ein Produkt klar vom Kunden ausgeht und dieser sich im vorherrschenden Angebot bewusst für die Produkte desjenigen Anbieters entscheidet, dessen Philosophie mit der seinigen die höchste Deckung aufweist.

Welche Schritte leiten Unternehmen jedoch ein, um eine Bindung der Kunden an ihre Produkte in einem uniformen Markt zu garantieren, in dem keine besondere Motivation besteht, dem einen Anbieter treu zu bleiben? Das Ziel ist es, den Kunden zu motivieren, die eigenen Produkte solchen gleicher Qualität, aber anderer Anbieter, vorzuziehen.

Hier bietet sich die Installation eines Belohnungssystems an, das mit dem eigentlichen Produkt nicht mehr direkt verbunden und von diesem teils unabhängig ist. In den vergangenen zehn Jahren konnte man die Einführung unterschiedlichster Punktesammel- und Prämienkonzepte verfolgen. Große Fluggesellschaften bieten beispielsweise seit längerem Bonusmeilen und Vielfliegerrabatte an, die es dem Kunden nahelegen, doch bei ein und demselben Anbieter zu bleiben, um so in den Genuss der in Aussicht gestellten Vorteile und Belohnungen zu kommen. Auf diese Weise wird eine recht verlässliche Form der Motivation im Kunden installiert, die diesen auch über die eine oder andere negative Erfahrung hinwegsehen lässt, weil die Erwartung der mit fortwährender Treue verbundenen Vorteile vor Augen bleibt. So wird auch dort, wo es zuerst keinen objektiven Grund für die kundenseitige, alleinige Ausrichtung auf einen speziellen der vielen Anbieter gibt, Commitment erzeugt. Jeder atomare Beweis der Treue dient somit einem höheren Zweck, einem Ziel, ähnlich dem der treuesten Bio-Kundschaft. Wichtig ist, dabei hervorzuheben, dass die auf künstlich installierte Belohnungssysteme zurückzuführende Motivation quasi eine vom Anbieter gesteuerte und artifizielle ist, die den Kauf der von ihm angebotenen Produkte mit Vorteilen verknüpft, die nicht von den Produkten selbst ausgehen. Der Verbraucher sollte darum stets wachsam bleiben und kritisch hinterfragen, ob er nicht einer klugen Strategie der Unternehmen aufsitzt und eine künstlich herbeigeführte Motivation sein Eigen nennt. Denn der Markt bietet vielleicht viel bessere Alternativen.

 Autor:

Bernhard Strecker

Belohnungssystem, Bonus, Commitment, Lebensmittel, Prämie, Vorteile
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