Ist der Ruf erst ruiniert ….
Der Schicksalsschlag des Gleitgels! Reckitt Benckiser erklärte im Rahmen der GSV in Frankfurt, wie man das Image seines schwarzen Schafs aufpolierte.
Es war ein schier niemals enden wollender Moment, einzig beherrscht von schamerfülltem, betretenem Schweigen. Diese Frage! Sie hing noch immer bleischwer in der Luft! Dabei war doch bis hierher alles so schön, so lustig gewesen. Das Unternehmen Reckitt Benckiser, mitunter die Firma hinter dem Namen Durex, hatte zum Vortrag geladen und die eifrigen Marketingstudenten waren in Scharen gekommen, ein ganzer Hörsaal zum Bersten voll. Und nun saßen sie in diesem winzigen Raum und machten sich schon minuten-lang über die Irrungen und Wirrungen des modernen Sexlebens lustig. Welches Land hat wohl die sexuell befriedigteste Bevölkerung? Wie viel Prozent der Menschen sind wirklich mit ihrem ersten Mal zufrieden? Alle rieten ungehemmt mit und stellten waghalsige Vermutungen auf. Und selbst bei der Frage, wer denn mit Kondom verhütet, schossen ausnahmslos alle Hände ohne zu zögern in die Höhe. Frei nach dem Motto: Wir sind jung und aufgeklärt und wir haben Sex, dafür schämen wir uns nicht! Doch dann ohne Vorwarnung, diese eine Frage, welche das Lachen im Keim erstickte und alle Blicke gen Boden schnellen ließ: „Und wer benutzt Gleitgel?“
Der Rednerin schien dies ein alt-bekanntes Phänomen, denn überlegen lächelnd wies sie darauf hin, dass ihre Absatzzahlen eine ganz andere, eindeutige Sprache sprechen. Aber es ist doch so auch eine Sache mit dem Gleitgel! Da könnte ja gar nicht noch größer der Stempel „FRIGIDE“ darauf prangen! Diese mal absolut unsexy, glibbrige Masse, die aussieht als ob Flubber blankgezogen hat. Ist doch klar, dass keiner zugeben will, mit so etwas überhaupt in Berührung zu kommen.
Doch wie wird man den schlechten Ruf wieder los?
Das Gleitgel ist ohne Frage das schwarze Schaf in der untersten Ecke im Drogerieregal. Während das Kondom salonfähig wurde, steht das Gleitgel noch immer alleingelassen vor verschlossenen Türen. Doch warum ist das eigentlich so? Denn um mal ehrlich zu sein – sehr viel erotischer mutet eine Lümmeltüte ja auch nicht an. Aber im Unterschied zum Gleitgel hat sich das Präservativ schon vor langer Zeit einem Imagewechsel unterzogen. Da wurde hier eine kleine Noppe gesetzt und da ein kleiner Farbtupfer und siehe da: Weg war der Ruf vom reinen Zweckprodukt. Plötzlich war das Kondom etwas, bei dem man Vorlieben haben darf!
Doch endlich haben sich die Marketingexperten bei Durex auch des einsamen Sorgenkindes angenommen und verpassten ihm den längst überfälligen Feinschliff. Da war zunächst einmal die technische Verfeinerung. Der eigentliche Zweck wird mit ein paar Extras versehen und plötzlich wird es warm auf der Haut, fängt an zu prickeln und fühlt sich so herrlich an, dass man es am ganzen Körper haben will, eben wie ein richtiges Massageöl. Dann folgte die optische Generalüberholung. Zwar bleibt es bei dem klaren, im Übrigen undefinierbaren Etwas, dieses nun aber mit aufregenden Luftblasen und mit klarer, bunt leuchtender Folie umwickelt, die das Ganze nicht mehr medizinisch, sondern schick aussehen lässt. Und schließlich die richtige Werbung: Paare, die sich überhaupt erst mit dem Gleitgel verführen und schon beim Anblick des kleinen Fläschchens kein Halten mehr kennen. Das ganze versehen mit dem passenden Slogan: Love Sex!
Die Botschaft ist eindeutig: Wer Sex liebt, benutzt das Durex Play Gel. Auf einmal erscheint jeder frigide, der eben nicht dieses besondere Erlebnis eingeht. Schließlich handelt es sich hierbei nicht um ein ordinäres, seinen Zweck erfüllendes Gleitgel, sondern um ein Play Gel! Für jene die gepflegten Sex zu schätzen wissen und Ansprüche an ihre Abenteuer stellen. Das Play Gel braucht man nicht, es ist einfach so toll, dass man es haben will – quasi ein Luxusartikel.
Die Mehrwert-Redaktion möchte diese Gelegenheit nutzen und das Play Gel ganz oben im Regal willkommen heißen. Wir bedanken uns für den schlichtweg grandiosen Vortrag und ziehen den Hut vor jenen, welche innerhalb von nur wenigen Minuten unsere Anschauungen so verändert haben, dass wir noch Stunden später schamlos über Gleitgel philosophieren konnten.
Über die Autorin:
Lara Wegener
Lara Wegener studiert seit dem Wintersemester 2010 Russistik und Galloromanistik in Gießen. Ihr Interesse am Marketing und ihre Freude am Schreiben führten sie im April 2012 zum Mehrwert und motivierten sie schließlich dazu, für ein Jahr die Leitung des Onlineauftritts des Magazins zu übernehmen. Immer wieder gerne macht sie sich auf die Suche nach spannenden Inhalten, um die Leserschaft des Mehrwerts zu informieren, zu begeistern oder schlicht zu amüsieren.