Auf geht’s. Ich wäre Ihnen vorher noch sehr verbunden, wenn Sie Ihr Handy weglegen möchten. Danke. Los geht’s…
Sind wir nicht alle ein bisschen selbstverliebt? Sie nicht? Wirklich nicht? Ich jedenfalls schon. Zumindest ein bisschen. Ein natürliches bisschen. Ich fände zum Beispiel einen eigenen „MiniMe“ ganz lustig. Das ist eine kleine Figur, ähnlich einer Spielfigur oder Büste, nur als mein persönliches Ebenbild. Diesen MiniMe kann ich dann wunderbar irgendwo als Dekoration platzieren. Das provoziert garantiert Gesprächsstoff bei meinen Gästen. Was will man mehr?
Bleiben wir beim Gesprächsstoff: Buzz. W-o-M. Folglich spannend für’s Marketing. Also habe ich 100 Leute auf WG-Partys, Geburtstagsfeiern und sonstig amüsanten Zusammenkünften gefragt: »Was sagst’n du zu 3D-Druckern?« Der Schnitt gab sich die Klinke in die Hand: »3D-Drucker? Klasse! Das ist die Zukunft! Das ist ja so cool!« Wunderbar – dachte ich mir. Perfekte Aussage für einen Artikel im Mehrwert. Denn wo Aufmerksamkeit ist, kann Marketing nicht weit sein.
Einen 3D-Drucker soll in ein paar Jahren jeder haben – zumindest hat das Medienecho es so gezwitschert. Wir alle drucken unsere Produkte in Zukunft einfach selbst. Leider wissen aber auch künftig die meisten von uns sicherlich nicht einmal, was genau mit solch einer Gerätschaft anzustellen, geschweige denn, wie sie zu bedienen ist. Weiterhin wird vorausgesetzt, dass es eine Idee im Kopf gibt, die dreidimensional in Szene gesetzt werden kann. Der Flow – die Arbeitswissenschaftler wissen, dass dieser für die Motivation zuständig ist – stellt sich also früher oder später und eher schneller als langsamer ein. Wenn ich mich dann auch noch mit Materialwissenschaften beschäftigen muss, ist der neue 3D-Drucker ganz schnell auf dem Abstellgleis unterwegs nach eBay. Blöd.
Der Schlüssel ist der zu Anfang erwähnte MiniMe – die plastifizierte Inkarnation der Selbstverwirklichung. Die Möglichkeit und Freiheit, sich selbst verwirklichen zu können, treibt heute ganze Scharen von Generation Y-ern um den Globus. Das sagt der Mehrwert. Das sagen die Medien. Das sieht man daran, dass das Internet bis zum Rand mit Web-Start-ups gefüllt ist. Reichlich Ideen, Nischen, Risikokapital, wenn möglich lean und hip gehypt. Wo kann man sich einfacher mit der eigenen Idee verwirklichen, als im Internet?
Zurück zum MiniMe. Denken wir nun über die Selbstverwirklichung in Form des Alter Egos hinaus. Ich kann mit 3D-Druckern also sehr leicht und in Zukunft laufend besser einen ersten Dummy einer Produktidee umsetzen. Physisch greifbar. Eine perfekte Vorlage für einen potenziellen Investor, Chef oder nörgelnden Controller. Sie sehen und betätscheln jenes, in was sie Geld oder Zeit investieren sollen. Sie tun dies. Sie sind glücklich. Wir sind glücklich. Wundervoll. So kennen wir es aus der IT-Szene auch. Und dort klappt es ja hervorragend, wenn man sich mal die unbegreifbare Menge von 800.000 Apps im App Store genauer anschaut.
Nun ist es nicht ganz so einfach. Genauso wie eine App heute schnell mit der Vollen in die Tasche greift, wird auch nach wie vor in der physischen Welt der erste Dummy ordentlich Kapital verlangen.
Im Prinzip ist das ganze auch nichts Neues. Unter dem Begriff „Rapid Prototyping“ vollziehen Entwickler schon seit den 80ern diesen Prozess. Erst wird mit 3D-Druckern und ähnlichen Maschinen ein Dummy gebaut. Anschließend wird dieser weiterentwickelt. Neu ist das wirklich nicht. Unsere zwischenzeitig euphorische Romantik ist hiermit pfutsch. Keine Revolution durch 3D-Druckerkolonnen. Aber: Genauso wie sich Physisches niemals so schnell bewegen kann wie Digitales, wird die Entwicklung von greifbaren Produkten niemals so schnell von statten gehen, wie die Umsetzung einer Idee im Web. Das ist eine einfache Gleichung. Es geht aber auch gar nicht um eine Revolution.
Denn nicht wirklich viele wollen aufbegehren. Die meisten – und das impliziert, dass niemals „alle einen 3D-Drucker besitzen und damit etwas produzieren wollen“ – wollen doch einfach nur konsumieren. Zumindest laut der „1-9-90 Regel“, nach der lediglich 1% Creators den 9% Contributors und 90% Consumers entgegenstehen.
Aber holen wir für den Schluss die Romantik wieder herein. Ich will Sie ja nicht eiskalt draußen stehen lassen. Besuchen Sie mal ein so genanntes Fablab. Es gibt bestimmt eines in Ihrer Nähe. Da wird noch gebastelt, wie man es sich bei Daniel Düsentrieb vorstellt. Nur haben aber mittlerweile High-Tech-Maschinen, wie Lasercutter oder 3D-Drucker, Einzug erhalten. Das hat Zukunft! Was gibt es romantischeres als das eigene Start-up aus einer Bastlergarage heraus zu gründen? Und überhaupt: Wieso soll auch noch ein weiterer Drucker in meinem Wohnzimmer stehen? Gegenargumente?
Auf Twitter weiter diskutieren: @mtpmehrwert
Empfehlungen:
http://www.youtube.com/watch?v=MRYcN5J6O44
http://www.heise.de/tr/artikel/Macht-Euren-Kram-doch-alleine-1791263.html
http://www.psfk.com/2013/05/disney-3d-printed-star-wars-stormtrooper.html