Der Zeitungsgipfel 2013: Eine Bilanz | MTP e.V.

Die deutsche Zeitungsbranche steht mit dem Rücken zur Wand, eine Pistole an der Schläfe. Wie sie da hingekommen ist? Ist jawohl klar: das ist die Schuld vom Internet, der schlechten Lesekultur und ganz besonders die der untreuen Marketer! Schon gut, klar das mit der Pistole war sie selber – der Theatralik wegen. Versteht sich. Quasi als metaphorischer Klimax. Und wem das jetzt hier zu wenig Qualität ist  – ´tschuldige, wie gesagt, den Rücken zur Wand, die Knarre am Kopf!

Dass es den Zeitungen in Deutschland schon mal besser erging, ist bekannt. Und auf dem diesjährigen Zeitungsgipfel am 12.06 in Wiesbaden konnte man auch ganz klar die Ursachen für das Kränkeln der deutschen Zeitungswelt benennen. Da wäre zunächst einmal das Internet, welches der Redakteur den ganzen Tag kostenlos bespielt und dem Verbraucher somit jeden Grund nimmt die Printausgabe zu kaufen. Zweitens das neue Leseverhalten der Deutschen, dieses nur mal eben sporadische Überfliegen, um auf dem Laufenden zu sein, ohne dabei wirklich begreifen zu wollen, welches nur wieder dem Internet in die Hände spielt. Und schließlich die abspenstigen Unternehmer, welche einfach keine Werbung mehr schalten wollen. Ohne Frage, der Branche geht’s an den Kragen.

Bisherige Lösungsansätze taugen wenig

Doch man überlegt sich Auswege. So pries beispielsweise Alexander Kahlmann, Partner der Schickler Beratungsgruppe, angesichts einer auf dem Zeitungsgipfel erstmals präsentierten Umfrage den wachsenden regionalen Werbemarkt als zukünftigen Anzeigepartner an. Ein Hoffnungsfunke , der nur bis zu dem Moment aufflammte bis ein Zuhörer feststellte, dass die Konkurrenz auf diesem Markt, sprich Radio, Werbesendungen und Außenwerbung, nicht nur sehr groß, sondern auch sehr viel billiger ist.

Der nationale Markt erwies sich spätestens dann als genauso brach, als Andreas Nassauer, Leiter Media der Deutschen Telekom, und Christian Uhrig, Marketingleiter bei Land Rover in Deutschland, geschlossen ankündigten sich dieses Jahr noch weiter aus dem Anzeigenmarkt der Zeitungen zurückzuziehen. Auf die Frage der Moderatorin hin, ob daran nicht auch ein Stück weit die Rabatte der Fernsehsender Schuld wären, war man sich ebenfalls einig: Noch weniger verführerisch als die Preislisten der Zeitungen, ist ihre schleierhafte Reichweite. Alexander Nassauer erklärte: „Beim Fernsehen weiß ich, ich setze X und erhalte absehbar Y.“ Eine Transparenz, mit welcher Zeitungen schlicht nicht mithalten können.

Ein dritter Lösungsansatz, ist der wohl für den Verbraucher unschönste: Paid Content, engl. für: Zahlungsbarrieren für den Internetuser, der ja extra schon im Internet liest, um sich das Geld für die Printausgabe zu sparen. Ein in Deutschland noch relativ neues Modell, welches sich noch mehr oder weniger in der Testphase befindet. Allerdings sollte ich mir vielleicht auch an dieser Stelle kein Urteil erlauben, zumindest als Leser, welcher allein schon von dem Pop-up so gestört ist, dass er wieder wegklickt.

Mein Eindruck jedoch, dass das Schicksal der Zeitungen besiegelt ist, fand ich hingegen in dem Flüsterton meiner Sitznachbarin bestätig: „So ganz die Lösung wissen die hier auch nicht.“ Stellenabbau, Bankrott,  Zeitungssterben, die Kugel im Kopf – irgendwie alles absehbar.

Dr. Rainer Esser und sein Plädoyer für Qualität

Wenn tatsächlich jemand bei dieser Konferenz den Weg aus dem Jammertal aufzeigte, dann war es der Geschäftsführer des Zeitverlags und DvH Medien Dr. Rainer Esser, indem er sich schlicht auf die Grundsätze der Wirtschaft berief: Verbraucher, Bedingungen, Märkte – ändern sich. Was das Internet der Zeitungsbranche antut, ist lediglich ein Paradigmenwechsel. Das Internet ist der Zeitungsbranche gewissermaßen der Tabakindustrie seine Gesundheitsbehörde, der Handarbeit seine industrielle Revolution, dem Erdöl seine Energiewende. Doch diese Wirtschaftszweige haben sich den Umschwüngen angepasst. Die Zeitungen hingegen prophezeien ihren eigenen Untergang am Lautesten.

Der Selbstmord aus Angst vor dem Tod

Warum die Strategie des selbst gesetzten Gnadenschusses nicht aufgeht, bedarf wohl keiner Erläuterung, stattdessen aber Essers Weg raus aus der Misere. Das Zauberwort heißt Qualität. Statt Stellen zu streichen und journalistische Freiheit durch Tags zu beschneiden, sollte man den Leser den qualitativ hochwertigen Investigativjournalismus geben, den er im Internet nicht finden kann. Mit flächendeckender Recherche, Insiderinterviews und handfesten Belegen, statt Fehlinformationen, die im Zweifel nicht mal aus der eigenen Feder stammen. Dann muss auch kein „Stern“-Redakteur, wie Hans-Ulrich Jörgens, nur einen Tag nach Essers Plädoyer, dem „Handelsblatt“ unseriösen Rudeljournalismus vorwerfen und dessen Unwahrheiten bezügliches eines vermeintlichen Wahlgeschenkes von Seiten der Kanzlerin wieder grade rücken. Denn um es mal so zu sagen, für den Artikel hab ich, als Leser, bezahlt.

Die Mehrwertredaktion möchte sich an dieser Stelle noch einmal bei der  HORIZONT wie auch bei The Conference Group für diesen Einblick in das deutsche Zeitungsgeschehen bedanken. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg dabei, den zukünftigen Herausforderungen der Branche entgegen zu treten.

Autorin:

Lara Wegener

GS Gießen
Horizont, Strategie, The Conference Group, Wandel der Zeit, Zeitung, Zeitungsgipfel
Vorheriger Beitrag
fYOUture what’s next? – Der DMC 2013 | MTP e.V.
Nächster Beitrag
Mobiles Marketing auf dem Vormarsch | MTP e.V.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.