„Der Anspruch eines jeden dieser Produzenten kann doch nur sein, das perfekte Produkt für seine Kunden anzufertigen.“ | MTP e.V.

Für den Artikel „Die Zukunft von Mass Customization“ in der Printausgabe 16 hat Tobias Theelen mehrere Experten befragt und die besten Statements zu den jeweiligen Fragen für euch herausgesucht. Die spannendsten Interviews in voller Länge wollen wir euch aber nicht vorenthalten und präsentieren sie euch daher schon heute. Sozusagen zum warm werden.  Unter anderem wurde Alexander Ertner, (Leiter Marketing/Vertrieb) von chocri, befragt:

Tobias Theelen (T): Mass Customization wird momentan hauptsächlich von der Konsumgüterindustrie genutzt. Welche weiteren Segmente werden in Zukunft auf Mass Customization zurückgreifen bzw. für welche wäre es sinnvoll?

Alexander Ertner (E): Ich denke die „individuelle Massenproduktion“ hat schon alle Bereiche der Konsumgüterindustrie erobert. Bei den Produktionsgütern fängt es gerade erst an. Warten Sie ab: Individuelle Kurzzeitbüroräume oder individuelle Autolacke für Autos in einer Gegend mit viel Regen – das alles werden wir noch sehr kurzfristig erleben. Die bisherigen Anbieter im Konsumgüterbereich werden ihr Angebot immer weiter verbessern und sinnvoll erweitern. So führen wir von chocri z.B. jetzt zeitnah zu unserem eigentlichen Produkt, der individuellen Schokolade, jetzt auch noch die passende individuelle Verpackung ein. Vom Kunden so gewünscht und vom Unternehmen umgesetzt.

T: Der Kundenanspruch wird durch die wachsende Informationsbegierde und neue Technologien immer größer. Wie kann man diesem Anspruch in Zukunft mit Mass Customization für ein erfolgreiches Customer-Relationship-Management (CRM) begegnen?

E: Ein erfolgreiches CRM basiert zum einen auf dem richtigen Einsatz der Kundendaten durch das Unternehmen und die Qualität der Daten, welche der Kunde dem Unternehmen übergibt. Die Kunden erkennen, dass, je individueller das Produkt werden soll, sie auch mehr Daten an die Unternehmen übergeben müssen. Die Körpermaße und das Gewicht bei der Fertigung von Maßkleidung, private Fotos für das gedruckte Fotobuch oder die Nahrungsmittelallergie beim Lebensmittelkauf. Eine solche Ansammlung von Daten dient den Unternehmen zum einen natürlich der passgenauen Abstimmung ihrer jeweiligen Angebote auf den einzelnen Kunden – wenn dieser es aktiv will. In meiner Jugend waren diese „Geheimnisse“ alles Dinge, welche anstatt eines mehr oder weniger anonymen Unternehmens nur eine konkrete Person von mir wusste: Schneider, Fotograf und Bäcker. Zusätzlich werden die bestehenden Unternehmen noch viel mehr als in der Vergangenheit ihre Produkte und die Innovationen am Kunden ausrichten. Die Unternehmen werden von den Kunden vor sich her getrieben.

T: Wird Mass Customization die einfache Massenproduktion und Einzelproduktionen in Zukunft vom Markt verdrängen? 

E: Ich bin kein Hellseher, aber solange die individuelle Massenproduktion noch so viel kostenintensiver ist als die einfache Massenproduktion – nein. Wenn sich dieses ändert – ja. Ich denke, u.a. deswegen sind zurzeit auch fast nur „neue“ Anbieter im Bereich „Mass Customization“ im Markt unterwegs. Denn an jedem individuellen Produkt hängt ungleich viel mehr reine Handarbeit. Auch wenn diese in Teilen und in manchen Bereichen von den Anbietern schon ins Ausland ausgelagert wird, erfolgt sehr viel der Leistungserbringung immer noch im Heimatland der Unternehmen. Letztendlich könnten hier fast Lehrmeinungen zusammenbrechen, denn durch die individuelle Massenproduktion erobern sich die Menschen Tätigkeitsbereiche zurück, welche wir eigentlich schon lange an Maschinen ausgelagert hatten, bzw. bringt sich der Mensch hier wieder als Beherrscher der Maschinen individueller ein.

T: Wie weit wird die Erstellung des Produktes zukünftig in die Hände der Kunden gelegt? Wird das Produktdesign bald komplett vom Kunden bestimmt?

E: Solange sich der Kunde im Rahmen des Möglichen bewegt – warum nicht? Ist das nicht sogar ein Idealzustand? Der Kunde benennt genau, was er will und nimmt mir als Hersteller sogar den Bereich „Kreation“ ab. Das Unternehmen produziert dann einfach nur noch passgenau für den Kunden. Ich denke, dass alle bisher von den Anbietern gesteckten Restriktionen bei den Produkten letztendlich immer der technischen Machbarkeit geschuldet sind. Der Anspruch eines jeden dieser Produzenten kann doch nur sein, das perfekte Produkt für seine Kunden anzufertigen.

T: Die Erstellung eines individuellen Produktes wird momentan meist Online durch Baukästen oder 2D- bzw. 3D-Simulationen ermöglicht. Es ist sogar schon möglich seine selbst erstellte Brille per Webcam anzuprobieren. Auf welche Technologien wird Mass Customization in Zukunft seinen Fokus legen? Welche Technologien sollten weiterentwickelt werden?

E: Es wird zu einer deutlichen Verbesserung der Methoden zur Erfassung von Ist-Zuständen zur Anwendung beim Kunden (Kleidung, Möbel) kommen. Hierzu werden einerseits neue Techniken und Tools zu Hause an den Geräten beitragen. Andererseits werden die Anbieter ihre Prozesse verbessern und neue Techniken nutzen. Der Vorteil ist doch auch im Wesentlichen, dass das Unternehmen nicht mehr erahnen muss, welches Produkt die Kunden gut finden und wie dieses Produkt zu produzieren ist. Vielmehr muss der Anbieter nur noch das perfekte Produkt produzieren, welches der Kunde ihm übermittelt hat.

Autor:

Tobias Theelen

GS Paderborn
Alexander Ertner, chocri, CRM, Einzelproduktion, Konsumgüterindustrie, Mass Customization, Massenproduktion
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