„Das hier ist ’ne seriöse Werbung für das Girokonto der Sparkasse!“ | MTP e.V.

Wenn die Sparkassen über ihre eigenen Werbekampagnen witzeln, treffen sie damit den Nerv der Zeit. Es stellt sich allerdings die Frage, warum nehmen eigentlich immer mehr Unternehmen Abstand vom klassischen Produktmarketing?

Wenn Apple ein neues Produkt herausbringt, lässt man die Blasphemie von der Leine, so scheint es. Allerdings ist der gleißend-helle Schein, vor welchem sich die Präsidenten von Apple vorzugsweise inszenieren, zuweilen so gleißend-hell, dass eigentlich nichts anderes zu sehen ist. Dennoch schwört der Computerhersteller auf seine Kampagne. Egal ob iPad oder iPhone, stets trifft man sich zum Start der neuen Werbung vor der weißen Leinwand und schwärmt von dem neuen Produkt. Während dieses von allen Seiten beleuchtet wird, futuristisch durch den Raum gleitet – nur gelegentlich unterbrochen von den Einblendungen freudestrahlender Nutzer. Nicht mehr, nicht weniger.         

Und genau damit ist Apple einer der Meister des klassischen Marketings, in welchem man schlicht sein Produkt ansehnlich und mit all seinen Reizen präsentiert. Die alte Schule der Absatzwirtschaft bedarf keiner aufwendigen Rollenspiele und versteckter Botschaften. Sie bricht das „Leckerlie“ von Whiskas einfach auf und zeigt was darin steckt. Sie erklärt schlicht, wie das neue Shampoo von L’Oréal wirkt. Das klassische Marketing hat klare Prinzipien: Wenig Unterhaltung, viel Botschaft.

Nicht zuletzt sind diese Prinzipien der Grund, warum mit Beginn der Werbepause Quoten in den Keller schnellen. Da sitzen dann die traditionellen Werbespots aneinander gekauert im Dunkeln – ungehört und ungesehen – der Albtraum eines jeden Auftraggebers. Doch während Unternehmen wie Apple oder L‘Oréal den altbewährten Strategien die Treue halten, sind andere schon vor Jahrzenten die Kellertreppe wieder hinauf.   

Tapfere Pioniere, allen voran Volkswagen, wagten es einen neuen Weg einzuschlagen und die Prämissen innerhalb ihrer Werbespots zu verschieben. Statt wie 1994 mit der Kamera minutenlang um den Passat zu schwenken und den revolutionären zweiten Airbag anzupreisen, besann man sich zunehmend auf den Unterhaltungscharakter seines Werbefilms. 2012 lässt VW daher wortlos, dafür aber mit theatralischer Musik einen Miniatur Darth Vader seine telekinetischen Kräfte am neuen Passat erproben. In einer Minute Werbung ist der Wagen dabei zwar lediglich läppische neun Sekunden im Bild, dennoch haben ihn allein auf YouTube knapp 55 Mio. Menschen gesehen. Den deutschen Sparkassen gelingt es sogar, auf durchschnittliche sechs Minuten Film nur sechs Sekunden seriöse Werbung kommen zu lassen. Und wenn der Kosmetikhersteller AXE, eine Koryphäe des unkonventionellen Marketings, seinen frauenbetörenden AXE Effekt vermarktet, ist er eigentlich zu keiner Zeit seriös.

Die neue Werbung lässt beinahe vergessen, dass sie Werbung ist. Dabei ist sie mitunter sogar so geistreich und vergnüglich, dass man sie weiterempfiehlt. Der Fachmann spricht hierbei vom viralen Marketing. Werbekampagnen, die sich auf Grund ihres hohen Unterhaltungswertes ganz von allein mittels Internet verbreiten.

Doch während die geschalteten Spots immer unterschwelliger und nebulöser wurden, konkretisierte sich das Bestreben der Marketingabteilungen. Längst buhlen die Unternehmen nicht mehr um gegenstandslose, mediale Aufmerksamkeit. Das erklärte Ziel: Der „Gefällt mir“ – Button. Der Sieger scheint in diesem Duell schnell gefunden. Während das  iPhone 5 von Apple gerade mal knappe 18.000 Likes bei Facebook erzielt, brachte „Giro sucht Hero 2“ den Sparkassen über 175.000 und katapultierte sich zudem in die Riege der zehn erfolgreichsten Facebook-Seiten des Finanzsektors. Als L’Oréal in seinem Spot für das Shampoo Everpure dazu aufrief, sich über dessen FB-Seite Gratisproben zu bestellen, gefiel das nicht mal mehr 2000 Usern. Unterdessen bekam der AXE Effekt seine ganz eigene Seite und sprengt demnächst die 300.000er Marke.            

Wendet man sich jedoch von den Zahlen der einzelnen Produkte ab und betrachtet die Facebook-Seiten der dazugehörigen Konzerne, verschieben sich die Beliebtheitswerte. Beinahe alle Unternehmen, die auf klassisches Marketing setzen, liegen bei 4-7 Millionen Fans. Damit können nur wenige Vertreter der viralen Spots, z. B. AXE, mithalten. VW und die Sparkassen liegen weit abgeschlagen bei einer Million oder wenigen hunderttausend Fans. Offensichtlich gibt es Regeln, für wen sich die verschiedenen Marketingstrategien eignen. Wer sich aufgrund seines Namens schon aller Aufmerksamkeit gewiss sein kann, benötigt keine ausgefuchsten Werbefilmchen mehr.           

Stattdessen kann er sich tiefenentspannt in seinen eigenen gottesdienstähnlichen Inszenierungen beweihräuchern lassen und einfach nur sein Produkt präsentieren. Apple macht’s vor. Alle anderen sind jedoch gezwungen mit immer raffinierteren Kampagnen, um jeden Funken Interesse zu kämpfen. Einzige Ausnahme von der Regel sind Unternehmen wie AXE. Unkonventioneller Werbung verdanken sie überhaupt erst ihren Namen. In der seriösen Aufmachung der klassischen Werbung sähen sie wahrscheinlich lächerlich aus.                

Dies ist der vierte Teil einer Serie über die Generation Y – passend zur Ausgabe 15. Weitere Artikel folgen innerhalb der nächsten Wochen. Viel Spaß beim Lesen!

Teil 1: Gen Y und unsere Chancen

Teil 2: Smartphone

Teil 3: Auszeit vom Digitalen

 

Über die Autorin:

Lara Wegener

GS Gießen

Lara Wegener studiert seit dem Wintersemester 2010 Russistik und Galloromanistik in Giessen. Ihr Interesse am Marketing und ihre Freude am Schreiben führten sie im April 2012 zum Mehrwert und motivierten sie schließlich dazu, für ein Jahr die Leitung des  Onlineauftritts des Magazins zu übernehmen. Immer wieder gerne macht sie sich auf die Suche nach spannenden Inhalten, um die Leserschaft des Mehrwerts zu informieren, zu begeistern oder schlicht zu amüsieren.

Generation Y, Klassische Marketing, Viral Marketing, Vorreiter, Werbung
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