Das Dachgeschoss eines Hauses inmitten ländlicher Idylle, eine unauffällige Holztreppe, vorbei an Kartons und Paletten. Drinnen ein strukturiertes Durcheinander, gute Laune und emsiges Treiben. Privater Hobbyraum, Wichtelwerkstatt?
Nein, hier ist Braufässchen, das erfolgreiche Start-up Münchner TU Studenten zuhause.
Zwei Jahre nachdem sich die Gründer bei Manage&More, dem unternehmerischen Qualifizierungsprogramm der UnternehmerTUM zusammengetan haben, erobert ihr Braufässchen die Herzen experimentierfreudiger Bierliebhaber. In nur einer Woche kann man mithilfe des zugeschickten, vorher individuell ausgewählten Brausets eigenes Bier brauen. Zuhause, ganz ohne weitere Vorkenntnisse oder zusätzliche Hilfsmittel.
Mit viel Engagement und Zeit haben die Gründer eine Firma aufgebaut, die Männerherzen höher schlagen lässt. Vom Erfolg überlaufen mussten sie ihre Verkaufszahlen auch dieses Weihnachten nach oben korrigieren: auf fast 1.000 Fässer pro Woche. Da werden dann auch schnell Freunde zum Verpacken eingestellt. In diesem hektischen Treiben trafen unsere Redakteure Julia Haas und Manfred Thurm zwei der Gründer von Braufässchen: Wolfgang (Produktion) und Ping (IT):
Was ist euer Lieblingsbier?
Wolfgang: Aktuell das Dunkle mit Eichenholz und Honig.
Ping: Unser Weihnachtsbier. Ein Pils mit weihnachtlicher Gewürzmischung.
Machen eure Kunden Gebrauch von den verschiedenen geschmacklichen Konfigurationsmöglichkeiten oder greifen sie eher auf die von euch angebotenen fertigen Sets zurück?
Ping: Am meisten werden die fertigen Sets nachgefragt, bei denen man die Garantie hat, dass es auf jeden Fall gut schmeckt. Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich auch Leute, die die Auswahl nutzen und verrückte Kombinationen ausprobieren wollen (etwa ¼). Beliebtestes Aroma bei unseren Fässchen ist zurzeit das amerikanische Eichenholz, das fast bei jeder dritten Bestellung enthalten ist und beim Trinken die Vorstellung von alten Holzfässern heraufbeschwört, deren Geschmack dann ins Bier übergeht.
Wolfgang: Wir verfolgen die Anzahl der Aromen mit, die pro Bestellung ausgewählt werden, um beobachten zu können wie die Customization von den Kunden angenommen wird. In letzter Zeit ist dieser Indikator sogar gestiegen und in der Sparte Customized Bier haben wir noch keine Konkurrenz.
Gibt es viele Wiederholungskäufer oder besteht die Mehrheit aus einmaligen Gelegenheits-/Geschenkkäufern?
Ping: Zur Weihnachtszeit ist die Geschenkquote natürlich sehr hoch. Unterm Jahr rechnen wir mit 8-10% an Wiederkäufern.
Wolfgang: Unser Bier spricht ja vor allem Individualisten, die sich am Experimentieren versuchen wollen und Fans des eigenen Brauerlebnisses an.
Wie sprecht ihr die unterschiedlichen Zielgruppen an?
Wolfgang: Bis jetzt waren wir sehr auf PR ausgerichtet und konnten so keine Zielgruppen differenziert ansprechen. Das ist auf jeden Fall eine der Hauptherausforderungen für 2014. Skalierbare und definierte Marketingmaßnahmen anzugehen und diverse andere Ideen und Pläne in dieser Richtung zu verwirklichen.
Ping: Dieses Jahr hat uns der Boom vor dem Vatertag ein wenig überrascht, den wir als Studenten gar nicht auf dem Schirm hatten. Kommendes Jahr wollen wir das marketingtechnisch nutzen und auch individuelle Kooperationen mit Firmen anstreben.
Wie entwickelt ihr euch mithilfe der Kundenrezensionen weiter?
Ping: Zur Verbesserung unseres Produkts benutzen wir momentan vor allem Kundenbefragungen, da die Geschmäcker je nach Wohnort sehr stark variieren. Mit etwa 15-20% haben wir auch eine gute Antwortquote.
Welche Märkte möchtet ihr noch erobern?
Ping: Vor kurzem haben wir in der Schweiz gelaunched und in Belgien haben wir einige Fans, da der Biermarkt dort aufgeschlossener ist. Der asiatische Markt zeigt sich dank der guten deutschen Qualität auch sehr angetan. Auch das Feedback aus Südamerika ist positiv. Amerika könnte ein großer und schwieriger Markt werden. Allerdings haben wir den Vorteil bei internationalen Lieferungen, dass wir die Biersteuer sparen, das Gewicht und dass keine Pfandkosten anfallen wie bei Mehrwegfässern.
Es gibt aber auch schon viele Fans, die ohne euer Bier nicht mehr können und alle herkömmlichen Sorten jetzt langweilig und ungenießbar finden. Trifft das auch auf euch zu?
Wolfgang: Ja, die gibt es tatsächlich. Ich muss ehrlich sagen, dass sich meine Geschmacksnuancen im Laufe des Entwicklungsprozesses mit Braufässchen auch verfeinert haben und am liebsten trinke ich auch privat unser Bier.
Die Langweile und fehlende Abwechslung und Vielfalt im deutschen Biermarkt, war auch der Anreiz für die Erfindung von Braufässchen. Der Brauprozess findet zuhause statt und eine Privatperson unterliegt hierbei keinen Regeln. So können die strengen Vorschriften des Reinheitsgebots umgangen werden. Zwar hatte diese Tatsache auch negative Reaktionen von Freunden der klassischen, eintönigen, deutschen Bierkultur zur Folge, die positive Resonanz überwiegt allerdings. Endlich gibt es ein innovatives Produkt, das den konservativen und auch rückläufigen Biermarkt aufwirbelt. Sogar ein Biersommelier hat sich von ihrem Produkt begeistert gezeigt.
Den Erfolgschancen ihres Produkts haben die jungen Unternehmer von Anfang an sehr euphorisch und mit sehr naiven Annahmen entgegengeblickt. Die typische Techniker-Denke eben. „Verkauft sich eh von alleine, dachten wir damals“, gibt Wolfgang zu. „Aber wir hatten auch das Glück des Fleißigen.“ Als Galileo im Sommer 2012 bei ihnen für einen Beitrag anfragt, waren weder Räume, noch Webauftritt, das endgültige Design oder der Prototyp vorhanden. Doch mit viel Einsatz haben sie es geschafft, alles in 4 Wochen auf die Beine zu stellen. Der Beitrag von Galileo ist hier ab Minute 8:30 zu finden.
Als Produktneuentwicklung ist das Einführen eines neuen Experimentiersets geplant. Dies gibt dem Kunden die Möglichkeit, vor dem Brauen verschiedene Aromen auszuprobieren.
Zudem sind sie auf der Suche nach einem Marketingpraktikanten, der ab Anfang des nächsten Jahres Lust hat, sich in ein wachsendes Start-up einzubringen, eigene Ideen zu entwickeln und selbstständig Projekte zu übernehmen. 2014 steht auch der Umzug in größere Flächen in München an.
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