Entweder Hose oder Shirt – dies ist das Credo, nach dem das amerikanische Modelabel American Apparel seine Werbekampagnen anscheinend konzipiert. Bei der Vermarktung der Produkte legt die Firma mit Sitz in Los Angeles großen Wert auf nackte Haut. In England kam es deshalb sogar schon zum Verbot einiger besonders umstrittener Reklamen.
Mehr Nacktheit als Klamotten?
Erst im Frühjahr dieses Jahres wurden zwei Fotokampagnen des Modehauses von der Advertising Standards Authority (ASA) vom britischen Werbemarkt verbannt. Grund dafür waren die „sexuell provokativen Posen“[1] der Models, die noch dazu in beiden Fällen überaus leicht bekleidet waren. Wer mit dem grenzüberschreitenden Marketing-Stil des Bekleidungsherstellers vertraut ist, wird davon wohl kaum überrascht sein. Die Werbeplakate und -clips der Firma reizen die Idee des „Sex Sells“ bis zum Äußersten aus. Entblößte Brüste sind keine Seltenheit, ebenso wenig wie spärlich bedeckte Intimzonen in Großaufnahme. Der Vergleich mit Softpornografie liegt nahe und wird von Gegnern dieses labeltypischen Werbestils gerne verwendet. Er greift vor allem dann, wenn sich American Apparel für seine Fashion-Shoots Schönheiten wie Sasha Grey aus dem Adult Entertainment-Bereich ausleiht. Gewagte Aufnahmen wie solche, in denen diese ihre Schambehaarung hervorblitzen lässt, sind äußerst medienwirksam und verschaffen der Marke somit kostenlose PR.
Natürlichkeit im Vordergrund!
Kaum ein Label bedient sich also derart konsequent der offensiven Sexualisierung wie American Apparel. Allerdings handelt es sich bei der Sex Sells-Strategie um einen gut bekannten Trick aus der Marketingkiste. Auch bei anderen Unternehmen ist sie Gang und Gäbe. Und Skandalträchtigkeit hin oder her – im Vergleich zu anderen Werbekampagnen kann man den Ideen der Made in USA-Brands durchaus Positives abgewinnen. Besonders gut kommt bei den Rezipienten die Wahl der Models an. Oft rekrutiert das Label Mädchen für seine Shootings, indem es sie einfach auf der Straße anspricht. Kaum oder gar nicht geschminkt entsprechen sie dem Bild des typischen Mädchens von nebenan. Den Effekt der künstlichen Schönheit, den man von den Models verschiedener Glamour-Marken kennt, findet man hier nicht: In seinen Werbungen verzichtet American Apparel größtenteils auf Retuschearbeiten. Im Sinne der Darstellung natürlicher Schönheit dürfen auch Dehnungsstreifen, stoppelige Achseln oder eben Intimbehaarung mit aufs Plakat. Diese gelassene Sinnlichkeit passt gut zum Hipster-Zeitgeist, der sich immer mehr durchsetzt. In einer Welt voll von Porträts übermenschlich ebenmäßiger Modelkörper findet diese Einstellung besonderen Anklang.
Doch nicht nur ein alternatives Body Image wird von der American Apparel-Werbung propagiert. In sein Freudenfest der PR-tauglichen Sexualität schließt das Label auch regelmäßig Szenen mit schwulen und lesbischen Pärchen ein. In einem besonders bekannten Clip sieht man zwei Frauen und zwei Männer in Laken herumtollen – wechselweise miteinander. Daneben macht sich die Marke mit ihren „Legalize Gay“-Shirts schon seit Jahren für die Rechte von Homosexuellen stark. Sie ist damit eines der ersten Marken, die die öffentliche Unterstützung von Homosexualität nicht als Kundenschreck, sondern als „effektives Marketing-Tool“[2] begriffen haben.
Auch angezogen ist sexy!
Schließlich muss man sich aber fragen, ob der gute Wille so viel nackte Haut rechtfertigt. Man möchte hoffen, ein gesünderes Körperbild könne uns auch von angezogenen Models beigebracht werden. Wie bedenklich sind solche Werbekampagnen, mit denen schließlich auch Kinder und Jugendliche in Kontakt kommen bezüglich der Entwicklung deren Sexualität? Denn in diesem Punkt unterscheidet sich selbst American Apparel kaum von anderen Marken. Während die Männer in den Werbeshots cool und komponiert wirken, geben sich die Frauen fast immer lasziv. Dies ist zwar unumgänglich, wenn man beinahe grundsätzlich nur mit einem Kleidungsstück bekleidet ist, festigt doch gleichzeitig ein altes bestimmtes Rollenklischee. Besonders bei der Präsentation der Unisex-Styles des Labels fällt dies auf.[3]
Trotzdem gefällt der Ansatz mit den natürlichen Models so gut, dass man mehr von ihnen sehen möchte – und gleichzeitig weniger! Dann könnten sich auch die Käufer mit der Marke identifizieren, die zu einem Paar Socken gerne noch andere Kleidungsstücke tragen.
Über die Autorin:
Xaveria Inman
Xaveria Inman studiert seit dem Wintersemester 2012/2013 Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit Ende 2013 schreibt sie für den Mehrwert. Neben der Universität und ihrem Job bei einem Online-Unternehmen kann sie sich so journalistisch betätigen.