Anti Aging, Sex und Baumärkte: Der neue Lifestyle? | MTP e.V.

Noch gar nicht so lange ist es her, dass Sexshops ein gewisser Ruf vorausgeeilt ist und Sexualität an sich tabuisiert wurde. Die Zielgruppe war bevorzugt männlich und das Thema nicht unbedingt salonfähig.

Nachdem neben dem Erotik-Roman Shades of Grey auch weitere Bücher dieses Genres in letzter Zeit riesige Erfolge gefeiert haben, besteht nun die Erkenntnis, dass Millionen Frauen sich mittlerweile, öffentlich, mit ihrer Sexualität auseinandersetzen und dies zunehmend in diversen Medienangeboten aktiv kommunizieren. Auch ist der Anteil weiblicher Kunden im Bereich Online-Erotikshops in den letzen Jahren gestiegen.

Dem Hype um die Romantrilogie folgt jetzt ganz offensichtlich ein neuer Trend: Vermehrt werben nun Online-Sexshops im Fernsehen für sich und ihre Produkte. Die TV-Werbung läuft zur Prime Time und richtet sich eindeutig an die Zielgruppe Frau, vor allem an die moderne Frau von heute.

Die Devise „sex sells“ gilt schon eine lange Zeit – und jetzt?

Sex wird vermehrt selbst zum Bestseller, mit Stil und zur besten Sendezeit im allabendlichen Fernsehprogramm.

Seit einigen Wochen läuft beispielsweise die TV-Kampagne des Start-ups Amorelie, auf den Sendern der ProSiebenSat.1 Gruppe. Gegründet wurde das Lifestyle-Unternehmen im November 2013 von der ehemaligen Groupon-Managerin Lea-Sophie Cramer.

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Die Aufmachung des Clips schafft zusammen mit dem Motto „Discover Lovestyle“ einen Rahmen, der alles andere als dem veralteten Image von Erotik und Sexshops entspricht. „Das Thema Leidenschaft, Wohlbefinden,Sex und Glückseligkeit steht bei Amorelie im Fokus und zeigt anstelle von Regalen voller einschüchternder „Erotikprodukte“ von fragwürdiger Qualität eine stilvolle, innovative und zugängliche Lovestyle-Welt.“ [Quelle]

Nach Amorelie traut sich nun auch das Traditionsunternehmen der Erotikbranche schlechthin, erstmals an eine Fernsehwerbekampagne. Seit 1951 als Versandhaus Beate Uhse eingetragen hat dieses nach einer langen Erfolgsgeschichte ein paar erfolglose Jahre hinter sich.

Kostenlose-Pornos aus dem Netz machen den Flensburgern zu schaffen; gleichzeitig klebt noch immer das Schmuddel-Image der Porno-Kabinen-Ära an der Marke.“ [Quelle]

Um diesem Negativtrend ein Ende zu bereiten, wurde im Juli 2013 das neue visuelle Unternehmenskonzept vorgestellt. Da mittlerweile die meisten Kunden weiblichen Geschlechts sind, präsentiert sich jetzt auch Beate Uhse femininer.

“(…)Sinnlicher, eleganter, weiblicher – das ist die neue Tonalität, heißt es bei der Agentur.“ [Quelle]

Im Zuge dieses Marken-Relaunches entstand unter anderem auch ein Fernsehwerbespot, der auf den Sendern Pro7, Sat1 und Sixx zu sehen ist. Unter dem Motto

Für mich, für ihn, für uns beide.“ 

In dem Spot präsentiert ein Model auf stilvolle Weise Dessous, fühlt sich dabei  offensichtlich sehr wohl und wirkt selbstbewusst.

Es ist offensichtlich, dass beide Spots vor allem Frauen ansprechen sollen. Lachende, selbstbewusste, experimentierfreudige Frauen, die mitten im Leben stehen und Spaß daran haben, sich in Sachen Sexualität, mit und ohne Partner, auszuprobieren.

Meiner Meinung nach sind die Spots gut gelungen und erfüllen ihren Zweck. Ohne viel Kitsch, unauffällig und stilvoll; zudem richtig platziert und ansprechend. Sie erwecken Neugierde und vermitteln Spaß und Lebensfreude.

Da kann man doch ohne schlechtes Gewissen im Internet nachschauen und Dessous und alles, was das Liebesleben schöner macht, bestellen. Ob allein oder zu zweit spielt dabei keine Rolle. Durch diese neue Darstellung wird zudem ein verändertes Frauenbild definiert und das Tabu-Thema Sex durchlebt einen Imagewandel.

Klingt erst einmal nach einer ganz guten Sache.

Dennoch finde ich, dass sich hier und da ein paar Gedanken gemacht werden dürfen.

Ist Erotik Stoff für die breite Masse?

Sexualität ist etwas sehr intimes und persönliches. Für viele gehört es immer noch zu einem Thema, das kaum oder wenn überhaupt, in einem kleinen, privaten Kreis angesprochen wird. Jetzt erhält es, einfach so, Einzug in das Werbeprogramm der Massenmedien, zwischen Autos und Kosmetikartikeln. Das hat schon fast etwas von Normalität und Alltag.Dass eine Sexualisierung der Gesellschaft stattfindet, steht außer Frage. Dennoch sollte man bedenken, dass Massenmedien ein Publikum erreichen, welches alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten abdeckt. Auch wenn oft erst auf den zweiten Blick klar wird, was beworben wird, sollte man sich bewusst machen, dass Werbung für Sextoys und Co. nicht unbedingt für alle Augen gemacht ist. Die Sendezeiten der Spots fallen in die Prime Time und laufen in Werbepausen von Sendungen wie Germany`s next Topmodel, die auch jüngere Mädchen als Zielgruppe haben.

Was ist mit den Männern?

Wenn Spots für Online-Erotikshops im Fernsehen laufen würden, die die Zielgruppe Mann im Fokus hätten, würde das wahrscheinlich nicht so einfach hingenommen werden. Steht die Frau im Mittelpunkt, kann es ganz einfach als Lifestyle verpackt werden, die Kernthematik bleibt jedoch die gleiche. Auf der einen Seite ist es positiv, dass Frauen durch diese Werbespots ermutigt werden, sich offener zu ihren sexuellen Vorlieben zu äußern, ohne dafür verurteilt zu werden. Auf der anderen Seite wird dem bestehenden Image, das Männern klischeehaft im Bezug auf Erotikshops nachgesagt wird, noch nichts entgegengesetzt. Mein Vorschlag für zukünftige Werbespots an dieser Stelle: Erotik-Lifestyle-Shops sind für Jedermann/frau und zusammen macht es sowieso mehr Spaß.

Schön, selbstbewusst, erfolgreich und zudem noch Spaß am Liebesleben. Das sind viele Eigenschaften, die eine Frau von heute erfüllen sollte, oder nicht?

Die Frauen in den Spots entsprechen genau diesem Bild. Es ist zunächst nicht verwerflich, dass dadurch ein anderes Frauenbild entsteht, dennoch wird wieder ein Stereotyp geschaffen, mit neuen Anforderungen, die für manche Frauen zu Herausforderungen werden. Idealisierte Frauenbilder, die sowohl wunderschön als auch intelligent, witzig, erfolgreich und sportlich sind und am Besten noch eine genaue Kenntnis ihrer sexuellen Vorlieben haben, sind oft medial geschaffen und gleichzeitig in den Medien allgegenwärtig. Statt Frauen zu ermutigen, setzen diese Stereotypen Frauen unter Druck. Viele Frauen versuchen diesen Idealbildern zu entsprechen, anstatt sich in ihrem eigenen Körper wohl zu fühlen.

Hier gilt zu sagen: Schönheit liegt im Auge des Betrachters und wahre Schönheit kommt bekanntlich von Innen.

Über die Autorin:

Hannah Renken

GS Mannheim

Hannah Renken studiert seit 2011 Medien und Kommunikationswissenschaft und Anglistik an der Universität Mannheim. Das Interesse für Marketing entwickelt sie während ihrer Schulzeit, vor allem durch ein erstes Praktikum in einer Werbeagentur und der Besuch eines Wirtschaftsgymnasiums. Bei MTP ist sie erst seit Kurzem, aber die Freude am Schreiben besteht schon länger. Ihr macht es Spaß sich mit Beobachtungen des Alltags, vor allem aus der Welt der Medien, auseinanderzusetzen, diese zu hinterfragen und schriftlich festzuhalten. Der Mehrwertblog bietet eine gute Plattform, um auf Themen aufmerksam zu machen und Denkanstöße zu geben.

Beate Uhse, Erotik, Fernsehwerbung, Sex sells, Sex Shops
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