Aufsicht in der Werbebranche: Der Deutsche Werberat | MTP e.V.

Die Aufmerksamkeit des Menschen ist ein sehr begrenztes Gut. Damit sie durch Werbung dennoch gewonnen werden kann, muss diese immer noch außergewöhnlicher, spektakulärer, einprägsamer und vor allen Dingen provokanter sein. Ein halbnackter Frauenkörper, nur bekleidet durch feine Netzstrümpfe und High Heels, sitzt ohne Slip auf weißen Fliesen. So sieht beispielsweise die Werbung des Fliesenlegers Patzsch aus. Die Verbindung zwischen dieser Frau und den Fliesen? Es soll scheinbar verdeutlichen, dass eine Fußbodenheizung unter Fliesen besonders gut funktioniert. Für den Deutschen Werberat ist klar, dass hier lediglich die Frau als sexualisierter Blickfänger fungieren soll und rügt den Fliesenleger dafür öffentlich auf seiner Homepage.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass es in der Werbung verschiedener Kontrollinstanzen bedarf. Unternehmen versuchen mit unterschiedlichsten Mitteln die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen und überschreiten dabei nicht selten Grenzen. Ganz allgemein unterliegt die deutsche Werbewirtschaft einem dualen Kontrollsystem. Zum einen gibt es rechtliche Grundlagen, wobei ein Verstoß juristische Folgen haben kann. Doch es wird schnell klar, dass solche rechtlichen Grundlagen nicht alle gesellschaftlichen Bereiche effizient abdecken können. Hinzu kommt, dass manche Bereiche rechtlich womöglich vertretbar sind, gesellschaftlich jedoch nicht. Aus diesem Grund wurde im Jahr 1972 der Deutsche Werberat von werbenden Unternehmen, Medien und Agenturen als eine freiwillige Selbstkontrollinstanz gegründet. Es entstand eine gewisse Autorität, die das Verantwortungsbewusstsein der Werbewirtschaft fördern sollte, ganz frei von staatlicher Aufsicht.

Beschwerdeverfahren und Sanktionen

Jedem Verbraucher steht es frei, Beschwerden zu Werbung bestimmter Unternehmen vor dem Werberat kostenfrei vorzubringen, wodurch ein gewisses Konfliktmanagement zwischen Verbraucher und Unternehmer stattfindet. Anonyme Beschwerden werden hierbei jedoch nicht beachtet. Grundlage des ganzen Prozesses stellt die Verfahrensordnung dar.

Wird bei Eingang einer Beschwerde klar, dass ein Gesetzesverstoß vorliegt, gehört es zu den Aufgaben des Werberats, diese an spezialisierte Stellen weiterzuleiten. Betrachtet der Werberat eine Beschwerde nicht als offensichtlich unbegründet, ist es generell wichtig, dass jedem Unternehmen die Möglichkeit eines Gegendarstellungsrechts  geboten wird. Bei dem Fliesenleger Patzsch war dies beispielsweise der Versuch, seine Werbung durch eine Verdeutlichung der Fußbodenheizung zu begründen. Überzeugt diese Gegendarstellung nicht, wird die Beschwerde in ein Gremium weitergeleitet, welches aus 10 Mitgliedern des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) besteht, welches der Trägerverein des Deutschen Werberats ist. Dieses Gremium entscheidet über die Beanstandung, wobei sie zunächst entscheiden können, ob die Werbung komplett aus der Öffentlichkeit verschwindet, oder ob sie lediglich geändert werden soll. Kommt das kritisierte Unternehmen dieser Beanstandung nicht nach, kommt es zu einer öffentlichen Rüge durch den Deutschen Werberat. Hierfür wird die Öffentlichkeit eingeschaltet: Verschiedenste Redaktionen der Massenmedien erhalten eine Mitteilung über diese Rüge.

Durch eine solche Rüge kann das positive Image des Unternehmens stark leiden, es kann allerdings auch zu einem Lerneffekt führen. Generell kommt es nur selten zu einer öffentlichen Rüge: 96% der Unternehmen nehmen ihre Werbung sofort nach Beanstandung vom Markt, nur bei 4% kommt es tatsächlich zu einer öffentlichen Rüge. Im Jahr 2013 kam es so zu dreizehn Rügen, 2014 bisher zu acht. Ganz allgemein fällt auf, dass in den letzten Jahren immer häufiger geschlechterdiskriminierende Werbung zu öffentlichen Rügen führt. Dabei steht meist die Frau als Sexualobjekt im Fokus. Dieser Trend scheint stark mit dem Vermarktungsprinzip „Sex sells“ verbunden zu sein. Grade die bisherigen Rügen des Jahres 2014 beziehen sich ausschließlich auf die instrumentalisierte Darstellung von Frauen (mehr dazu). Die Halbjahresbilanz des Jahres 2014 zeigt neben dem diesem Trend außerdem, dass die Zahl von öffentlichen Rügen generell zunimmt, was uns hoffen lässt, dass dieser Anstieg nicht weiter andauert.

Grundsätze und Kernaufgaben des Deutschen Werberats

Doch nach welchen Richtlinien und Grundsätzen wird Werbung beurteilt? Generell geht es darum, dass das essentielle Vertrauen der Verbraucher in die Werbebranche nicht ausgenutzt werden darf. Dabei steht der Schutz der Menschenwürde an erster Stelle. So fällt dem Schutz der Kinder und Jugendlichen eine besondere Rolle zu, wobei allgemein keine Diskriminierung von Personen aufgrund von Alter, Geschlecht, Rasse, sexueller Orientierung oder ähnlichem geduldet oder gefördert werden darf. Auch Gewalt, Aggressionen oder die Instrumentalisierung von Angst und Leid sind nicht erlaubt. All diese Ansätze sind in den Grundsätzen weit ausgeführt, um von Anfang an Richtlinien für die Werbebranche zu schaffen. Es gibt außerdem einige Sonderregelungen, beispielsweise sollte bei einer Reifenwerbung, die die Sicherheit und Beständigkeit bei Wetterverhältnissen wie beispielsweise Glätte bewirbt, immer darauf hingewiesen werden, dass dennoch ein angepasstes Fahrverhalten notwendig ist.

Nun bleibt zuletzt zu klären, auf welcher Grundlage der Werberat Werbungen beurteilt. Er betrachtet zunächst den Konsumenten, wobei ein Leitbild des durchschnittlich informierten Verbrauchers herangezogen wird. Als nächstes wird die generelle Medienlandschaft in ihrer Vielfalt von Meinungen und Darstellungsweisen beurteilt, wobei es besonders auf den Charakter des werbenden Mediums ankommt. Zuletzt ist auch die Situation wichtig, in der der Verbraucher mit der Werbung konfrontiert wird. Durch Abwägung dessen wird es dem Werberat möglich, eine Werbung zu beurteilen.

Der Werberat bezieht sich jedoch nicht nur konkret auf eingehende Beschwerden, sondern hat ganz allgemein vier Kernaufgaben: er entwickelt generelle Verhaltensregeln, entscheidet über konkrete Beschwerden und deren Folgen, kann auch eigeninitiativ tätig werden und zuletzt informiert er sowohl nach innen und nach außen. So wird die Selbstregulierung und Selbstverantwortung gefördert.

Obwohl der Deutsche Werberat im Grunde lediglich eine freiwillige Selbstkontrollinstanz ist, scheint er dennoch in der Werbebranche einen weitreichenden Einfluss zu haben. Womöglich gerade weil eine freiwillige Kontrolle stattfindet, greift hier wohl eine Art Ehrencodex der unterschiedlichen Unternehmen, was die wenigen öffentlichen Rügen erklärt. Außerdem ist es wohl auch im Interesse eines jeden Unternehmens Werbefreiheit zu gewährleisten und die Aufsicht der Werbebranche dementsprechend möglichst staatsfern zu organisieren.

 

Quellen:

Branche, Deutscher Werberat, Kampagne, Werberat, Werbung
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