Interview mit Bosch – 21 Fragen & Antworten | MTP e.V.

Hinrich Claussen ist als Produkt- und Marketingmanager bei der Bosch Car Multimedia GmbH mit Sitz in Hildesheim für den Bereich Professional Systems tätig. In einem Interview verrät er uns die Herausforderungen des Global Players im hart umkämpften Markt für Nutzfahrzeuge. Um weiterhin führend auf dem Zulieferermarkt für Nutzfahrzeuge – und seit kurzem auch Two-Wheeler – zu sein, und den eigenen Kunden bestmögliche Lösungen für die intelligente Integration von Entertainment, Navigation, Telematik und Fahrerassistenzsystemen zu gewährleisten, ist ein guter Riecher bei der Personalauswahl gefragt.

Das Interview führten Anton Lapin und Maher Chikhi. Carina Mandel (Ressortleiterin für Kommunikation bei MTP Hannover) übernahm die Verschriftlichung.

Frage 1: Herr Claussen, welche Einstiegsprogramme gibt es bei Bosch?

Es gibt ein Junior Managers Programm und ein Pre-Master Programm. Hier ist die Idee, dass man nach dem Bachelor ein Jahr in die Praxis geht und danach während des Masters mit dem Unternehmen verbunden bleibt, in der Hoffnung, dass die Absolventen danach übernommen werden können. Es ist jedoch gar nicht so leicht, geeignete Kandidaten zu finden, denn auf einen Bewerber kommen 10 Stellen. Ich bin für diese Master-, aber auch für BA Studenten und Praktikanten zuständig. Je nachdem, wo Bedarf besteht. Was ein bisschen fehlt ist eine ideale Strategie.

Frage 2: Und welche Kooperationen mit welchen Unis haben Sie?

Natürlich mit der Uni Hildesheim selbst. Darüber hinaus mit vielen staatlichen Hochschulen und Fachhochschulen und auch einer privaten Hochschule in Hannover. Wir werben vor allem Studenten aus dem näheren Umkreis an. Aber prinzipiell würden wir weltweit einstellen. Es hat auch Bewerber aus Brasilien gegeben, da wird es nur bezüglich Aufenthaltsgenehmigung etc. etwas aufwendiger.

Frage 3: Sind Sie dann beispielsweise auch auf Hochschulkoordinationsveranstaltungen?

Es gibt einen Koordinator in der Personalabteilung, der das betreut und Mitarbeiter im Bereich Weiterbildung. Ich koordiniere den Bereich Professional Systems in Hildesheim. Meine Hauptaufgabe ist nach wie vor Marketing, strategisches Marketing, Geschäftsentwicklung und zu einem kleinen Teil auch Produktmanagement und Continuous Improvement. Der gesamte Bereich besteht aus nur 100 Mitarbeitern, 5 davon arbeiten im Marketing. Wir sind einfach zu wenige Mitarbeiter, als dass wir das so aufteilen können, wie wir das alle Rollen optimal besetzt wären. Daher übernehme ich einen großen Teil dieser Aufgabe, was ich auch gerne tue. Nur kann viel auf der Strecke bleiben, wenn ich zu oft oft Ja sage.

Frage 4: Das typische Problem von Großunternehmen – zu wenig Kapazitäten und zu viel Belastung.

Richtig. Das ist immer ein Balanceakt. Wir sind ja so eine Art Firma in der Firma und viele klagen, dass wir denselben Regularien unterliegen wie große Geschäftsbereiche, deren Prozesse für kleine Geschäftsbereiche untauglich sind. Das ist wie wenn Sie eine kleine Firma hätten –  natürlich möchten Sie, dass Sie alles unter Kontrolle haben und dass Sie alles selber machen können, und dann wachsen einem irgendwann die Aufgaben über den Kopf und Sie müssen auslagern. Das ist die Kehrseite der Zentralisierung.

Also delegieren?

Genau. Das gilt für Einzelpersonen genauso wie für Organisationen. Irgendwann fragen Sie sich: Verkrafte ich das Wachstum jetzt noch oder muss ich extern wachsen?

Frage 5: Aber Bosch an sich und auch der Geschäftsbereich Car Multimedia in Hildesheim wächst. Es gibt ja immer neue „High Potentials“, die bei Bosch anfangen, oder?

Man muss wissen, dass Bosch in Hildesheim in zwei Bereiche eingeteilt ist: Zum einen der Geschäftsbereich Multimedia, dahinter verbirgt sich u.a. die Firma Robert Bosch Car Multimedia GmbH. Das ist ein starker Wert. Zudem gibt es mittlerweile am Standort ein Joint Venture zwischen Daimler und Bosch. Fertigung in Deutschland ist ein Kostenproblem. Daher wird bei Car Multimedia die Fertigung ausgelagert, z.B. nach Portugal, Malaysia, China. Die Zentrale ist in Hildesheim. Das wächst moderat und das Geschäftsjahr 2014 verlief positiv. Es gibt zusätzliche Aufgaben, wo auch Bedarf nach z.B. High Potentials im Pre-Master Programm besteht.

Frage 6: Eine spannende Sache, diese High Potential Programme. Inwieweit wird dann im Personalauswahlsprozess auf z.B. Soft Skills oder Engagement bei einer Initiative wie MTP Wert gelegt?

Der Bewerbungsprozess ist stark automatisiert. Da müssen Sie zunächst das Anforderungsprofil erfüllen. Wenn Sie dann in einem Interview sind und z.B. mir gegenüber säßen, dann können
Sie davon ausgehen, dass ich das sehr hoch bewerten werde. Es kann aber auch sein, dass Sie bei einem Kollegen landen, der das anders sieht. Es gibt zwar Vorschriften und Hinweise, dass man das beachten soll, aber am Ende ist es individuell verschieden. Aber ich behaupte, keiner kann leugnen, dass der erste Eindruck, der Nasenfaktor eine Rolle spielt. Was ich schätze ist Authentizität. Wenn Sie da reinkommen und eine Show abziehen, dann wären Sie bei mir ziemlich schnell wieder draußen. Wenn sie aber zeigen, wer Sie sind und Ihre Stärken präsentieren, dann haben Sie gute Chancen.

Frage 7: Haben Sie auch Bewerbungsgespräche geführt oder führen sie immer noch?

Ja, zurzeit interviewe ich Praktikanten. Aber die intensivsten Gespräche habe ich während meiner Führungsaufgaben 1994/95 geführt. Das war eine interessante Zeit, denn ich hatte die Chance, selbst ein Team aufzubauen und zu formen … wie Joachim Löw. Wenn Sie jemals so eine Chance bekommen, dann greifen Sie zu. Sie werden wie ich viele Erfahrungen sammeln, auch negative. Aber auch diese sind besonders wichtig um zu lernen. Mit unendlich vielen Ressourcen können sie jedes Problem lösen, aber diese Ressourcen werden Sie höchstwahrscheinlich nicht haben. Die Kunst des Managements besteht darin, auch mit zu wenigen Ressourcen klarzukommen und kreativ zu werden.

Frage 8: Können Sie uns ein Beispiel nennen, eine negative Erfahrung, die Sie weitergebracht hat?

Haben Sie keine Angst vor Fehlern, denn aus denen lernen Sie. Einmal musste ich mich von Leuten wieder trennen, die ich selbst zuvor eingestellt hatte. Dann bin ich zu meinem Chef gegangen und sagte zu ihm: „Du hast doch gesehen, dass ich hier Fehler mache. Du hättest mich doch leicht stoppen und sagen können: Mach das nicht“. Er sagte: „Da hättest du aber nichts gelernt.“ Das werde ich nie vergessen. Ich habe wirklich viel von ihm gelernt. Er war nicht nur ein Chef, sondern ein guter Mentor.

Sie müssen Fehler zulassen, das ist wichtig in Startups und in innovativen Bereichen. Sie kommen sonst nicht weiter.

Frage 9: Ein Team muss aber auch gut zusammenpassen. Woran erkennen Sie z.B. einen „faulen Apfel“?

Beobachten. Arroganz ist z.B. in meinem Team fehl am Platz, andere hingegen mögen das. Für mich ist wichtig, wie derjenige sich bei Konflikten verhält, wie er rüber kommt. Passt er in ein Team? Ist das Verhalten angemessen für das Team?

Frage 10: Aber ist es nicht so, dass sich heutzutage fast alle Bewerber gleich verhalten, weil alle das im Internet nachlesen können, wie man sich verhalten sollte?

Sie sind gut beraten, dass Sie auf die Zwischentöne hören, wenn Sie jemanden einstellen. Das, was im Anschreiben und Lebenslauf steht, ist perfekt, sonst wären Sie ja schon raus geflogen. Es ist wichtig darauf zu achten: Wie kommt er rüber? Die Sympathien unterscheiden sich aber auch von Personaler zu Personaler. Das ist schwer, aber auch gut. Es wäre ja schlimm, wenn ich jeden standardisieren könnte und das Internet allein dir sagt, wie man sich im Gespräch verhalten sollte. Es gibt Regeln, aber das sollten Selbstverständlichkeiten sein. Sie können vorher jedoch keinen Fragenkatalog durchgehen. Da sind wir wieder beim Thema Authentizität. Wenn Sie was nicht wissen, dann ist es überhaupt keine Schande, das zuzugeben. Wenn Sie lügen, müssen Sie das spätestens in der Probezeit büßen.

Also ist das die Intuition eines Managers?

Ja. Emotionen spielen im Privatleben eine große Rolle und auf sie ist Verlass. Warum wollen also im Geschäftsleben immer alle ganz sachlich sein? Intuition ist in allen Lebensbereichen ein verlässlicher Partner. Was glauben Sie denn, wie viele Entscheidungen, die auf Intuition beruhen, falsch waren?

Eigentlich keine, weil man sich bewusst dafür entschieden hat.

Genau. Ihr Gefühl hat Recht, da können sie sich drauf verlassen, auch als Bewerber.

Frage 11: Gibt es denn eine Grundeigenschaft, die ein Bewerber mitbringen muss, um bei Bosch Karriere zu machen?

Das kann ich pauschal nicht sagen. Was ich beobachte ist, dass ein strukturiertes Unternehmen vor allem Leute anzieht, die Sicherheit wollen. Wenn Sie Ihre Karriere planen, müssen Sie sich fragen: Was ist mir wichtig? Sicherheit oder Freiheit? Wie viel Macht und Einfluss will ich haben? Das sind die Säulen, auf die eine Karriereentscheidung beruht. Viele kommen zu Bosch, weil Sie Sicherheit suchen. Auf der anderen Seite gibt es Startups, die ihre wenigen Mitarbeiter bildlich gesprochen aus der Tanzschule holen. Unterschiedlicher könnte das nicht sein.

Ich rate jedoch jedem, mutig zu sein, sich auszuprobieren und vor allem: seine Grenzen zu erfahren.  Wie weit kann ich gehen? Finden Sie’s heraus.

Frage 12: Finden Sie es wichtig, einen Mentor zu haben?

Definitiv. Ein Mentor kann sehr wichtig für die Entwicklung sein. Ich selbst hatte einen und heute bin ich selbst einer. Ich habe eine Coaching Ausbildung gemacht, weil ich daran glaube und es mir Spaß macht. Coaching heißt, der Coachee hat ein Ziel, das muss er selbst erreichen und der Coach unterstützt ihn dabei. Das ist anders als Beratung, wo man gesagt bekommt, was man tun soll. Ich selber betreue Studierende der Uni Hannover im Rahmen des Mentoringprogramms Next Step. habe eine Studentin an der Uni Hannover, die ich im Rahmen des Mentoring durch das Mentoring Programm betreue.

Frage 13: Wie hieß Ihre frühere Berufsbezeichnung, bevor sie Marketingmanager wurden?

„Director Innovation Projects“, oder auf Deutsch „Leiter Wachstumsprojekte“.

Frage 14: Das hört sich gut an! Jetzt sind Sie ja Marketing- und Produktmanager. Wenn Sie sich entscheiden müssten: Welcher Job ist wichtiger für den Erfolg der Produkte, die Sie vermarkten? Marketingmanager oder Director of Innovation Projects?

Langfristig für das Überleben des Bereiches wahrscheinlich letzteres. Für mich ist der Sinn eines Unternehmens das Überleben und um überleben zu können muss ich mich regelmäßig erneuern, wie jeder Organismus.

Frage 15: Steht denn die langjährige Erfahrung der Mitarbeiter bei Bosch im Fokus?

Unter anderem ja. Wir diskutieren momentan darüber, wie wir es schaffen können, das Wissen, das wir haben, zu sichern, zu dokumentieren. Wir haben sehr viel implizites Wissen. Wir wissen also quasi wie man Fahrrad fährt, aber wir können es nicht erklären.

Frage 16: Brauchen Sie, um die Marktführerschaft zu behalten, noch weitere Strategien, um die High Potentials anzulocken oder reicht Ihre jetzige Personalmarketingstrategie?

Wie schon gesagt: Regelmäßige Erneuerung ist essentiell. Neue Leute und neues Wissen sind wichtig. Das bringen High Potentials natürlich mit.

Frage 17: Meinen Sie, die Marke Bosch alleine reicht für die Zukunft?

Nein, das reicht nicht. Die Fluktuation bei Bosch ist sehr gering. Wenn man einmal drin ist, dann bleibt man auch. Es hängt aber auch mit der Personalpolitik zusammen. Wir als soziales Unternehmen berufen uns auf den Gründer von Bosch, Robert Bosch. Das hat dann aber, solange man nicht wächst, zur Folge, dass Sie auch weniger einstellen können. Wir haben eine komplett andere Unternehmenskultur als z.B. Apple. Wir haben unsere Historie, das hilft uns, hindert uns aber auch an einigen Stellen.

Frage 18: Wie kann ein Unternehmen wie Bosch mit solch zurückhaltendem Marketing so erfolgreich sein?

Wir sind sehr werteorientiert. Robert Bosch sagte: „Ich verliere lieber Geld als das Vertrauen eines Kunden. Das ist ein sehr sehr hoher Wert. Klar, man muss sich das leisten können, aber das wird bei Bosch wirklich gelebt. Sie ändern eine Kultur nicht von heute auf morgen. Und ich finde, das sollten Sie auch nicht.

Frage 19: Ist das auch der Grund warum die Qualität eine größere Rolle spielt als die Kommunikation nach außen?

Bosch: Ja. Man legt weniger Wert darauf, über die Dinge zu reden als wirklich Qualität zu liefern.

Frage 20: Erkennen die Mitarbeiter in einem technisch gesteuerten Unternehmen wie Bosch, dass Marketing eine so wichtige Funktion ist oder muss man das denen noch beibringen?

Dort, wo es den Bereich Marketing erst seit kurzem gibt, muss man schon beweisen, dass Marketing wichtig ist. Gleichzeitig sollte man den Mund nicht zu voll nehmen. Sie müssen die Balance finden. Ganz langsam aufbauen und dann die anderen vom Ergebnis überzeugen. Nicht so viel reden, sondern einfach machen.

Frage 21: Wo sehen Sie Bosch in zehn Jahren?

*lacht* Das können Sie so gut oder so schlecht beantworten, wie ich.

Vielen Dank für das Interview!

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Vielen Dank für das interessante Interview! Grade Bosch ist hierzulande noch immer ein vergleichsweise unbekanntes Unternehmen, gemessen an seiner wirtschaftlichen Bedeutung. Aber in den letzten Jahren hat sich das glücklicherweise immer mehr und mehr zugunsten von Bosch geändert. Auf dabego sind daher auch mehr und mehr Berichte von ehemaligen Bewerbern bei Bosch.

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