Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut.“
– Laotse
Selbstverantwortung: Handeln statt reagieren
WIR-MARKEN haben mutige Manager. Das ist rasch geschrieben, in der Praxis aber ziemlich herausfordernd in einer Zeit, in der nicht nur Märkte, sondern auch Unternehmen immer größer, komplexer und unübersichtlicher werden. In vielen Umfeldern sind Absicherungsmentalität und Unauffälligkeit heute opportune Karrierestrategien. Doch es ist sicher kein Zufall, dass viele der größten Markenerfolge der letzten Jahre von energischen Einzelpersönlichkeiten erzielt wurden. Das gilt nicht nur für Apple oder Amazon, es gilt auch für Bionade oder Red Bull oder für Markenrettungen wie bei Porsche.
Markenführung ist Chefsache
Die Marke ist zu wichtig, um sie an eine Marketingabteilung ohne Einfluss auf die Unternehmensstrategie zu delegieren oder dem Profilierungsansprüchen wechselnder Manager auszuliefern. Mit dieser Vernachlässigung der Marke geht in der Regel auch eine Abwertung des Markenbegriffs einher: Die Marke wird nicht als Triebfeder der Organisation verstanden, die Strategien und Prozesse bestimmt und von den Mitarbeitern gelebt werden soll, sondern eher als eine oberflächliche Prägung, die einem Produkt von Marketingleuten und Werbern nachträglich aufgedrückt wird – Branding wird reduziert auf Fragen der Optik, der Verpackung, der Kommunikation. Funktioniert das nicht so wie erhofft, wechselt man die Agentur oder tauscht gleich die Marketingverantwortlichen aus.
Wenn ein Unternehmen langfristig Erfolg haben will, muss es wissen, was seine Marke im Kern ausmacht – es muss seine Erfolgsfaktoren kennen. Es ist das Topmanagement, das das Wesen einer Marke begreifen, vermitteln und gegen alle Versuche einer Verwässerung verteidigen muss. Apple ist das Paradebeispiel für eine Marke, die von der Unternehmensspitze stetig vorangetrieben wird. Wofür die Marke steht und was zu ihr passt, wird vom CEO bestimmt. Und da Apple nicht nur durch kompromisslose Bedienerfreundlichkeit und außergewöhnliches Design definiert wird, sondern auch für ein Abheben vom „Mainstream“, kam für Steve Jobs beispielsweise die beliebte „Intel inside“-Strategie anderer IT-Unternehmen nicht infrage.
Hinter starken Marken stehen starke Manager, die sich der Marke verschrieben haben und die Verantwortung für den Markenerfolg nicht weg delegieren, sondern als ihre ureigenste Aufgabe ansehen.
Was bedeutet das für WIR-MARKEN? Es bestätigt das Prinzip Selbstverantwortung: Markenführung ist nicht delegierbar. Man braucht ein Topmanagement, das sich mit der Marke identifiziert und ihre Kernwerte verkörpert und energisch vermittelt.
Porsche: Wie der Manager, so die Marke
Hermann Simon: Jede starke, große Marke ist letztlich von einer Person geschaffen worden. Ob Sie an Mercedes, Nivea, Bosch oder Ford denken, immer steht ein Einzelner dahinter. Eine starke Marke setzt eine starke Persönlichkeit voraus.
Kaum jemand hat es so geschickt verstanden, zum Gesicht einer Marke zu werden und deren Image zu verändern, wie der langjährige Porsche-Vorstand Wendelin Wiedeking. Als Wiedeking 1993 zum Vorstandsvorsitzenden berufen wurde, lag die Marke am Boden. Porsche produzierte zu teuer und verkaufte zu wenig. Wiedeking verschlankte die Modellpalette, baute in großem Umfang Stellen ab, drückte die Preise der Zulieferer. Mit Erfolg: Im Rekordjahr fuhr das Unternehmen einen Netto-Gewinn von 4,2 Milliarden Euro ein. Ihrem Vorsitzenden bescherte das dank einer Gewinnbeteiligung ein Rekordsalär von 50 Millionen Euro. Mindestens ebenso spektakulär wie diese Erfolgsgeschichte ist jedoch der Imagewandel der Marke Porsche, der ebenfalls mit Wiedeking verbunden ist: Aus der elitären Schmiede für Sprit fressende Luxuskarossen wurde der „kleinste und zugleich profitabelste“ deutsche Automobilhersteller, der unerschrockene David, der es den Goliaths zeigt und die Sympathien der Zuschauenden gewinnt – selbst jener, die sich niemals einen Porsche werden leisten können.
Dieses David-Credo verkörperte Wendelin Wiedeking auch ganz persönlich, er gab sich angriffslustig, stilisierte sich zum „Retter der Sportwagenschmiede“ (Who’s Who), mokierte sich öffentlich über Großunternehmen als aussterbende „Dinosaurier“ und lehnte publikumswirksam 50 Millionen Euro Subventionen für die Errichtung des Porsche-Werks in Leipzig ab. Ein unerschrockener David kommt ohne solche Krücken aus. Wiedeking legte sich verbal gern mal mit den anderen Autobossen an und suchte den Schulterschluss mit den Porsche-Mitarbeitern, die nach der erfolgreichen Wende ebenfalls vom Unternehmenserfolg profitierten. Er demonstrierte Bodenständigkeit, erzählte, dass er die Kartoffeln für den Kartoffelsalat am IAA-Stand eigenhändig geerntet habe, schwärmte von seinem alten Porsche-Traktor. Über teure Hobbys, Luxusvillen und Yachten (wie etwa bei dem ehemaligen KarstadtQuelle-Interimschef Thomas Middelhoff) ist nichts bekannt. So wurde Wiedeking trotz seines astronomischen Gehaltes zum Sympathieträger im Unternehmen wie nach außen, während andere Manager sich Raffgier vorwerfen lassen mussten. Als er sich im Machtkampf mit VW und Ferdinand Piëch schließlich verhob, wurde er von Gründer-Enkel Wolfgang Porsche mit Tränen in den Augen verabschiedet.
Von außen ist nur schwer abzuschätzen, ob Wendelin Wiedeking ein Naturtalent ist oder eine exzellente Presseabteilung beschäftigte. Wahrscheinlich kam beides zusammen. Und natürlich entscheidet sich kein Kunde für ein Produkt, nur weil er den CEO des Unternehmens schätzt. Wiedekings Beispiel illustriert jedoch eindrucksvoll, was ein charismatischer Topmanager für eine Marke tun kann, wie er die Mitarbeiter hinter sich bringen und Sympathiepunkte bei Kunden und Nichtkunden sammeln kann.
Die Marke in den Köpfen der Mitarbeiter verankern
Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Simon (Experte für Strategie, Marketing und Pricing, ist Chairman von Simon-Kucher & Partners): Zwei Eigenschaften von Mitarbeitern sind meiner Erkenntnis nach wesentlich für den Markenerfolg: Commitment und Kompetenz.
An der Kasse eines großen Supermarktes, am Freitagnachmittag. Zwei Kassiererinnen, die Rücken an Rücken vor ihren jeweiligen Kassen sitzen und sich über die Schulter hinweg unterhalten. Es geht um die eigenen Einkäufe, die beide noch erledigen müssen. Ich werde Zeuge, wie die eine zur anderen sagt: „Ich muss nachher noch rasch zu Aldi. Bei uns ist mir das viel zu teuer!“
Es gibt wohl kein größeres Armutszeugnis für eine Marke als Mitarbeiter, die bei der Konkurrenz kaufen und sich auch noch in geschäftsschädigender Weise öffentlich dazu bekennen. WIR-MARKEN werden von den Kunden geschätzt und von den Mitarbeitern gelebt. Können Sie sich einen Apple-Mitarbeiter vorstellen, der Microsoft-Produkte kauft? Einen Google-Mitarbeiter, der auf Altavista schwört? Eine hohe Identifikation mit der eigenen Marke – und damit auch mit dem eigenen Unternehmen – ist aus verschiedenen Gründen zentral für den Unternehmenserfolg. Zum einen sind Mitarbeiter die besten Botschafter für die eigenen Produkte. Die Nachbarschaft würde sich wohl zu Recht wundern, wenn der Opel-Mitarbeiter selbst lieber VW führe. Zufriedene Mitarbeiter betreiben Mund-zu-Mund-Propaganda für „ihr“ Unternehmen und seine Produkte. Sie sind stolz darauf, dort zu arbeiten. Zum anderen engagieren sich Mitarbeiter, die sich mit einer Marke oder einem Unternehmen identifizieren, stärker.
In der Praxis kann man die Identifikation mit einem Unternehmen und mit den dort angebotenen Produkten oder Dienstleistungen schwer voneinander trennen. „Ich arbeite gerne dort, aber die Produkte sind schlecht“? „Meine Arbeit ist mir gleichgültig, aber wir stellen ein tolles Produkt her“? Beide Aussagen wirken gleichermaßen lebensfremd.
Die Marke in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern ist also einerseits eine Frage klarer Markenbotschaften, andererseits eine Frage der Führungskultur. Wer sich persönlich nicht gewürdigt oder gar schlecht behandelt fühlt, wird sich kaum im Sinne des Unternehmens und der Marke ins Zeug legen. Die Werte, die eine Marke verkörpert, und die Werte, die im Unternehmen gelebt werden, müssen zueinander passen.
Hermann Simon: Identifizieren Sie sich total mit der Marke. Versuchen Sie nicht, etwas Künstliches zu schaffen, sondern in der Marke ihre eigenen Werte lebendig werden zu lassen.
Fazit: Selbstverantwortung
WIR-MARKEN beginnen beim Stellenwert, den die Geschäftsleitung der Marke einräumt. Eine starke Marke ist mehr als gelungene Optik und Vermarktung; eine starke Marke wird gelebt.
► In übersättigten Märkten muss die Marke Chefsache sein. Sie ist zu wichtig, um sie allein der Marketing-Abteilung zu überlassen.
► WIR-MARKEN brauchen mutige Manager, die sich mit der Marke identifizieren und sich als Entrepreneure verstehen.
► Um in hart umkämpften Märkten zu bestehen, sind exzellente Mitarbeiter zentral – Mitarbeiter, die hinter dem Unternehmen und seinen Produkten stehen und die sich ernsthaft engagieren.
► Mitarbeiter müssen sich fair behandelt fühlen. Das ist eine Frage der gesamten Unternehmens- und Führungskultur – Mensch, Marke & Medium!
Autor:
Hermann Wala
Inhaber von Wala Strategy & Brand Consultants. Zuvor war er unter anderem bei Hubert Burda Media für das Konzernmarketing zuständig. Hermann Wala hat mehr als zwei Jahrzehnte Marken- und Marketingerfahrung. Heute ist er Top Keynote-Speaker und Markenkolumnist, wobei ihm das Thema WIR-MARKEN besonderes am Herzen liegt.
Der Best- und Longseller „Meine Marke“ von Hermann H. Wala ist jetzt auch in polnischer und chinesischer Sprache erhältlich.
Wir-Marken / Selbstverantwortung © Hermann Wala 2015