Die Zukunft der Marketingbranche? | MTP e.V.

Interview mit Förderprofessor Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christian Homburg aus der Geschäftsstelle Mannheim

In einem interessanten Interview gab uns Professor Homburg einige Einblicke in seinen persönlichen Werdegang und seine Meinung zur Zukunft der Marketingbranche.

Professor Christian Homburg ist Inhaber des Lehrstuhls für Business-to-Business Marketing, Sales & Pricing und Direktor des Instituts für Marktorientierte Unternehmensführung (IMU) an der Universität Mannheim. Seine Spezialgebiete sind unter anderem marktorientierte Unternehmensführung, Kundenbeziehungsmanagement und Vertriebsmanagement. Von 2006 bis 2010 war er Geschäftsführer der Mannheim Business School. In dieser Zeit entwickelte diese sich zu einem der führenden Institute für die Ausbildung von Managern in Europa und die Studierendenzahl verdreifachte sich. Neben seiner Hochschultätigkeit ist Professor Homburg Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der von ihm gegründeten Managementberatung Homburg & Partner.

Auf nationaler und internationaler Ebene genießt Christian Homburg große Anerkennung. Er trägt die Ehrendoktortitel der Copenhagen Business School und der Technischen Universität Freiberg. An der University of Melbourne ist er außerdem Professorial Fellow am Department of Management and Marketing. In diesem Jahr erhielt Professor Homburg zudem als erster europäischer Wissenschaftler den GAMMA Lifetime Achievement Award für seinen außerordentlichen Beitrag zur internationalen Marketing- und Management-Forschung und vom Handelsblatt-Ranking wurde er mehrfach als forschungsstärkster deutscher BWL-Professor ausgezeichnet. Im aktuellen Ranking der AMA liegt Professor Homburg außerdem weltweit auf Platz 2 für seine Forschungsproduktivität in den einflussreichsten Marketing Zeitschriften zwischen 2008 und 2017. Er ist ebenfalls Mitglied in den Herausgeberbeiräten von 6 Fachzeitschriften in Deutschland und den USA, wie zum Beispiel dem Journal of Marketing, der bedeutendsten Zeitschrift auf dem Gebiet.

Wie haben Sie im Studium den Weg von der Wirtschaftsmathematik zum Marketing gefunden? Was hat Sie am Marketing gereizt?

Als ich kurz vor dem Abitur mit meinen Eltern über mein Studium gesprochen habe und gesagt habe, dass ich mich für die BWL interessiere, haben sie so ein bisschen das Gesicht verzogen. Meine Eltern waren beide Gymnasiallehrer und hatten daher so eine typische Art einem zu zeigen, ob man etwas Kluges oder eher weniger Kluges gesagt hat. Mein Vater hat dann vorgeschlagen, ich sollte erstmal etwas Richtiges studieren. BWL könnte ich hinterher immer noch machen. So bin ich zur Wirtschaftsmathematik gekommen. Das war in Karlsruhe im Grunde ein reines Mathematik Studium. Danach habe ich mich dann im Bereich der BWL umgeschaut, weil ich dort unbedingt promovieren wollte. Da haben mich zwei Bereiche besonders interessiert: Finance und Marketing. Ich hatte das Gefühl, dass im Marketing-Bereich sehr vielfältige Dinge aufeinandertreffen. Man muss Kenntnisse in Psychologie, Sozialwissenschaften und ökonomischen Theorien haben. Es ist also unglaublich vielfältig und ich bin bis heute froh, dass ich diesen Bereich gewählt habe. Ich gehe jeden Morgen gerne zur Arbeit, weil die Themen einfach interessant sind und sich stetig im Wandel befinden. Langweilig wird es definitiv nicht!

Warum haben Sie sich dafür entschieden Ihre berufliche Laufbahn der Lehre und der Forschung zu widmen?

Ich war ja nach meiner Promotion einige Jahre in der Praxis tätig. Da hatte ich den Eindruck, dass meine Lernkurve flacher wurde und deshalb habe ich mich entschieden in die Hochschullandschaft zurückzugehen. Diese Entscheidung war gar nicht so einfach, da ich ja schon ein bisschen Karriere gemacht hatte und einige Vorzüge aufgeben musste – für eine befristete Position bei der deutschen Forschungsgemeinschaft. Ich habe sie aber bis heute nicht bereut! Ein wesentlicher Vorteil des Professorenberufs liegt für mich darin, dass man permanent mit sehr hochkarätigen jungen Leuten zu tun hat. Das ist eine permanente Herausforderung und hält einen auch jung. Ein weiterer Vorteil ist die Vielfalt der Themen, mit der man sich beschäftigen kann. In der Praxis ist man was das angeht häufig fremdbestimmt. Außerdem gebe ich bis heute gerne Vorlesungen und schreibe auch gerne wissenschaftliche Artikel.

Warum haben Sie sich 1998 dafür entschieden den Ruf an die Universität Mannheim anzunehmen? Warum erschien Ihnen diese Universität damals attraktiv?

Das ist eine gute Frage. Ich kam ja damals von der WHU. Dort war die Personaldecke sehr dünn. Mit nur 36 Jahren war ich schon in der Diskussion um den Rektorenposten. Das wollte ich nicht. Die Universität Mannheim ist eine Universität, die schon damals deutschlandweit eine hervorragende wissenschaftliche Reputation hatte und ich wollte daran mitarbeiten, diese Reputation auch auf internationaler Ebene zu verstärken. Wenn man sich jetzt die letzten 20 Jahre anguckt, dann ist eigentlich die wesentliche Entwicklung unserer Fakultät die Internationalisierung. Als ich herkam, waren wir eine deutsche Universität, die deutsche Studenten in deutscher Sprache nach dem deutschen Diplommodell ausgebildet hat. Heute haben wir eine Vielzahl von Angeboten in englischer Sprache und eine weltweite Zielgruppe. Darauf sind wir ein bisschen stolz, denn diese konsequente Internationalisierung hat im Grunde keine andere deutsche Universität hinbekommen. Unsere Business School zum Beispiel ist eine wesentliche Innovation mit ihren MBA Angeboten.

Was hat Sie trotz vielfacher attraktiver Angebote zum Bleiben bewegt und was macht die Universität Mannheim für Sie aus?

Im Laufe der Zeit habe ich bemerkt, dass es sehr von Vorteil ist, dass ich hier an einer Fakultät für BWL arbeite. Mein Bruder ist Professor für Controlling an der Universität zu Köln. Dort arbeitet er an einer Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Das heißt, es kommen circa 80 Professoren (Volkswirte, Betriebswirte und Soziologen) zusammen. In einem solchen Umfeld etwas zu bewegen, ist extrem schwer. Hätten wir hier auch eine solche Struktur, wären solche dynamischen Entwicklungen, wie die der Mannheimer Business School, überhaupt nicht möglich. Es gibt deutschlandweit nur ganz wenige Fakultäten, die sich nur mit Betriebswirtschaft beschäftigen und Mannheim ist eine davon. Dieser Vorteil war mir so klar nicht, als ich damals hergekommen bin.

Ein Angebot, das ich aber sehr ernsthaft in Erwägung gezogen habe, war die Meffert-Nachfolge in Münster. Er hat dort einen sehr interessanten Partnerkreis aufgebaut, den ich gerne übernommen hätte. Die Fakultät hat auf mich auch einen guten Eindruck gemacht. Die Universität dafür weniger. Münster ist eine riesengroße Universität mit über 40.000 Studenten. Die Größe der Universität Mannheim ist dagegen ein wesentlicher Vorteil. Bei 11.000 Studenten kann man einfacher etwas bewegen. Außerdem war die damalige Interaktion mit dem Kultusministerium Düsseldorf sehr klassisch sozialdemokratisch geprägt und für mich sehr unerfreulich. Meine Eltern haben beide an der Universität Münster studiert und als ich damals das Kultusministerium verließ, habe ich meine Mutter angerufen und sie hat gesagt: ‚‚Ich hab‘ dir doch gleich gesagt, das ist Quatsch mit Münster.‘‘

Die Entscheidung in Mannheim zu bleiben war absolut richtig und Herr Meffert, mit dem ich noch in Kontakt bin, hat mir auch vor einem Jahr gesagt: ‚‚Sie haben sich richtig entschieden‘‘. Das ist natürlich auch eine interessante Aussage.

Welche Eigenschaften muss man Ihrer Meinung nach mitbringen, um im Marketing erfolgreich zu werden?

Ich glaube, man braucht eine gesunde Mischung aus analytischer Orientierung und Kreativität. Zeiten, wo Kreativität allein reichte, sind vorbei. Natürlich ist Kreativität nach wie vor wichtig und wird dabei keinesfalls durch analytische Orientierung ersetzt. Diese beiden Dinge müssen komplementär in einer Persönlichkeit angelegt sein.

Sehr wichtig ist auch Teamfähigkeit. Denn Marketing- und Vertriebsentscheidungen fallen heute in Teams aus unterschiedlichen Bereichen im Unternehmen und aus unterschiedlichen Ländern. Man muss daher einfach jemand sein, der es genießt in Teams zu arbeiten. Es gibt hervorragende Mitarbeiter in Unternehmen, die lieber alleine arbeiten und trotzdem einen wertvollen Beitrag leisten. Das funktioniert allerdings nicht in Marketing und Vertrieb.
Übrigens, als kleine Anregung, wollen Sie sich nicht vielleicht umbenennen von MTP in MVTP (Marketing & Vertrieb)?

Welche Trends stellen Sie aktuell in der Marketingbranche fest? Worauf müssen wir uns als zukünftige Marketeers einstellen?

Das Schlagwort, das im Moment alles dominiert ist die Digitalisierung. Ich bin immer vorsichtig, wenn ich neue Begriffe höre, da ich diesen oft nichts wirklich Neues entnehmen kann und sie oft nach zwei drei Jahren wieder verschwinden, ohne eine wirkliche Wirkung zu hinterlassen. Digitalisierung ist aber ein anderes Thema. Ich bin davon überzeugt, dass sie sehr grundlegende Veränderungen im Wirtschaftsleben herbeiführen wird. Zum Beispiel im B2B-Bereich. Da müssen sich Unternehmen dezidiert die Frage stellen, wie sie ihren Außendienst zukünftig aufstellen. Die klassischen Informationsbesuche, mit denen viele Außendienstler ihre Zeit verbracht haben, sind vom Kunden nicht mehr gefragt. Es geht da mehr um strategischen Dialog. Das heißt man braucht auch völlig neue Anforderungsprofile an Außendienstmitarbeiter. Die Akademikerquote im Außendienst wird steigen – eine hervorragende Berufschance für BWL-Absolventen. Was man auch beobachtet ist eine stärkere Individualisierung der Angebote und der Kommunikation durch Big Data.