Wenn man auf die elektronische Musikindustrie zurückblickt und Revue passieren lässt, was im letzten Jahr 2018 passiert ist, fällt wohl jedem Aviciis Tod als Erstes ein: Sein frühes Verscheiden hat eine Welle von Trauer und Nachdenklichkeit ausgelöst.
Aber es gab auch gute Momente im Jahr 2018, wie beispielsweise die Rückkehr von Swedish House Mafia beim Ultra Music Festival in Miami. Wer hat den progressiven Sound des schwedischen Trios schließlich nicht vermisst?
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer guten Freundin, die Swedish House Mafias Rückkehr folgendermaßen kommentierte: „Im Endeffekt ist das Comeback eines Künstlers einfach nur krasses Marketing“. Das ging mir nicht aus dem Kopf. Denn der Hype, den das Trio 2018 ausgelöst hat, obwohl es nur einen einzigen Gig spielte, ist immens. Was genau steckt dahinter?
„Don’t you worry, don’t you worry, child…“
Swedish House Mafia – wer war das noch gleich? Das aus Schweden stammende Trio, bestehend aus Axwell, Sebastian Ingrosso und Steve Angello, produzierte zwischen 2008 und 2013 Musik und trat gemeinsam auf. Mit den erfolgreichen Hits wie „Don’t You Worry Child“ und „Save The World“ beeinflusste Swedish House Mafia das Aufkommen von Dance Music in den Charts. In Zahlen beeindruckte sie ebenfalls: Das Musikvideo zu „Don’t You Worry Child“ wurde mehr als eine halbe Milliarde Mal aufgerufen, die Tickets der letzten Tour waren in wenigen Minuten ausverkauft und wegen der hohen Nachfrage auf insgesamt 52 Städte erweitert, sodass das Trio am Ende vor mehr als einer Millionen Fans auftrat. Es wird deutlich, dass keine anderen Künstler das Genre des Progressive House so nachhaltig geprägt haben, wie das schwedische Trio zu Beginn der 2010er. 2012 verkündete die Gruppe ihre Auflösung und trat zum letzten Mal gemeinsam 2013 beim Ultra Music Festival in Miami auf. Danach verfolgte Steve Angello eine Solo-Karriere, während Axwell und Sebastian Ingrosso sich zum Duo Axwell Λ Ingrosso zusammenschlossen und mit Liedern wie „More Than You Know“ und „Dreamer“ die Charts eroberten. Im März 2018 erfolgte dann schließlich die große Überraschung: Die drei Künstler standen nach ihrer fünfjährigen Auszeit wieder gemeinsam als Swedish House Mafia in Miami auf der Bühne!
Diese Show schrieb Geschichte, denn noch nie regte ein Act so viele Diskussionen, Gerüchte und Spekulationen an, wie dies bei Swedish House Mafia der Fall war. Sowohl vor als auch nach ihrer Rückkehr sprudelte das Internet vor Gerüchten und kreierte einen Hype um das Trio, dem keine andere Musikgruppe 2018 nahe kam. Swedish House Mafia war 2018 omnipräsent; allzeit relevant. Doch was steckt dahinter? Welche treibenden Kräfte beeinflussten die Aufregung um die Künstler? Wie konnte Swedish House Mafia die Medien 2018 nur so sehr dominieren?
Musik im Zeitalter der Digitalisierung
Die Digitalisierung – jeder kennt sie, sie ist mittlerweile zu einer Selbstverständlichkeit in unserem Alltag geworden. Fast könnte man vergessen, wie sehr jedoch die Technologien des digitalen Zeitalters dazu beigetragen haben, den Hype um Swedish House Mafia anzutreiben. Denn grundsätzlich wurden zahlreiche Gerüchte eines möglichen Comebacks vor ihrer Show im März 2018 über zahlreiche Plattformen gestreut, die sich erst durch die Digitalisierung etablierten: Die offizielle Webseite von Swedish House Mafia, Facebook, Instagram, YouTube und Reddit wurden zu Foren der Entstehung von Gerüchten, aber auch zu Plattformen von Interaktion und Austausch zwischen Fans und Künstlern. Es wurde sich nostalgisch über Musik ausgetauscht, Wetten wurden abgeschlossen, Trolls stichelten die Spekulationen mit provokanten Kommentaren an und schließlich boomte die Freude über die Rückkehr des Trios in den sozialen Netzwerken.
Zudem wurden die Facebook- und Instagram-Accounts von Swedish House Mafia vor und nach ihrem Auftritt durch das Löschen alter Posts oder durch die Aktualisierung der Profilbilder überarbeitet, sodass die Gerüchte nicht nur einer einmaligen Zusammenkunft, sondern auch eines langfristigen Comebacks entfachten.
Vor allem Musikmagazine wie das DJ Magazine oder Billboard fungierten als Multiplikatoren von Informationen, die auf eine mögliche Rückkehr schließen ließen.
Ein Livestream ermöglichte schließlich eine Direktübertragung des Gigs, den Fans rund um den Globus mitverfolgen konnten und somit hautnah bei der lang ersehnten Zusammenkunft dabei sein konnten.
Nach dem Gig stellte sich die Frage, ob es bei einer einmaligen Show blieb oder ob das Trio zukünftig wieder gemeinsam auftreten und Musik produzieren würde. Im Oktober erschien schließlich ein Countdown auf der offiziellen Webseite von Swedish House Mafia, der nach seinem Ablauf ein Video preisgab, in dem das Trio verkündete, auf Tour zu gehen und an neuer Musik zu arbeiten. Nicht nur der Countdown sorgte für Spannung, sondern auch die Tatsache, dass das Video vorerst nur auf Schwedisch erschien und die internationale Fanbase in Aufregung versetzte, wie es nun um Swedish House Mafias Zukunft steht. Englische Untertitel wurden erst nachträglich hinzugefügt.
Alt trifft neu
Fazemag.de berichtete von einem „raffinierten Marketingschritt“, als Poster im Mai 2018 in Stockholm erschienen, die auf eine Kooperation zwischen Swedish House Mafia mit Nike hinwiesen, die im Mai subtil über die Instagram-Profile von Steve Angello und Sebastian Ingrosso angekündigt wurde. Diese vermutete Kooperation war ein Beweis dafür, dass der Gig im März kein einmaliges Ereignis war und dass das Trio langfristige Zukunftspläne hatte – die Spekulationen über ein dauerhaftes Swedish-House-Mafia-Comeback lebten wieder auf. Außerdem zeigte diese Aktion, dass sich das Künstler-Trio auf zahlreichen Ebenen zu vermarkten weiß: Sie betrieben analoge Werbung in Form von Postern für ein haptisches Produkt, dessen Reichweite für ein internationales Publikum über die sozialen Medien verstärkt wurde. Alt trifft neu, analog trifft digital – Mehrere Sinne wurden angesprochen und dies ermöglichte eine intensivere und persönlichere Wahrnehmung. Somit wird Swedish House Mafia nicht mehr nur über die Musik erlebbar und gestaltet neue Assoziationen. Swedish House Mafia wird zu einer Marke, die man nun auf mehreren Ebenen erleben kann.
Musik als emotionales Pflaster
Bei all der Aufregung und den Gerüchten um Swedish House Mafia darf man jedoch nicht vergessen, wofür sie eigentlich steht und wodurch sie bekannt wurde: Ihre Musik. Am Ende sind es die Hits, die emotional berühren und ihre Fans nostalgisch werden lassen. Durch die Musik des Trios wird man fünf Jahre zurückversetzt. Man erinnert sich, was einmal war und was geworden ist und hat dabei ganz eigene Erinnerungen, die man mit „Don’t You Worry Child“, „One“ oder „Save The World“ verbindet. Es sind die Emotionen, die geweckt werden und die dazu verleiten, Swedish House Mafia nicht vergessen zu wollen und alte Zeiten wieder aufleben zu lassen. Sie stehen im Endeffekt als persönlicher Antrieb hinter dem Drang, Gerüchte und Spekulationen bezüglich eines Comebacks des Trios zu entfachen.
Swedish House Mafia – Mehr als nur Musik
Der Hype um Swedish House Mafia wird deutlich, wenn man die Google Trending Searches betrachtet: Das Trio gehört 2018 neben Avicii zu den meistgesuchten Künstlern im Bereich der elektronischen Musik. Zudem schaffte das Trio einen Wiedereinstieg auf Platz 63 im jährlichen DJ Mag Top 100 Voting, bei dem Fans einmal im Jahr für ihre Lieblings-DJs abstimmen können. Dafür, dass Swedish House Mafia 2018 nur einen Gig hatte, ist es beachtlich, dass sie gleich wieder auf Platz 63 einsteigen konnte. Es zeigt, dass das Trio präsenter ist als je zuvor – und wie Swedish House Mafia als Marke lebt.
Es wird deutlich, dass es mehrere Gründe gibt, warum Swedish House Mafia im Jahr 2018 einen großen Hype erfuhr. Neben den mit der Musik verbundenen Emotionen wurden die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung geschickt genutzt, um Gerüchte zu streuen. Austauschmöglichkeiten förderten die Interaktion, die ebenfalls Aufmerksamkeit um das Trio steigerte. Außerdem bediente sich Swedish House Mafia einer Verflechtung aus digitalen und analogen Mitteln der Werbung und kombinierte somit das digitale Zeitalter mit dem Bedürfnis haptisch Produkte zu erfahren. Im Endeffekt wird auf allen Ebenen – digital und analog – Marketing betrieben, um die Marke Swedish House Mafia präsent zu halten, sie so intensiv wie nur möglich erlebbar zu machen und sie dadurch zu einem Markengesamterlebnis wird. Dies zeigt unverkennbar, dass sich Musiker im heutigen Zeitalter nicht mehr nur über ihre Musik definieren, sondern eine Marke sind, die vermarktet werden muss.
Dass der Hype um Swedish House Mafia schlussendlich kalkuliert war, gibt Axwell grinsend in einem Interview auf dem PAROOKAVILLE-Festival zu:
„Wir haben nichts weniger erwartet.“
Autorin:
Kim Diescher
AS Marburg