Zeitgemäße Marketingstrategie oder überholtes Klischee?
Ein neues Semester hat begonnen und vor der Mensa tummeln sich massenweise Studenten und Studentinnen, um eine der heiß ersehnten Semestertüten abzugreifen. Dabei wird zwischen „Mädels-Tüten“ und „Jungs-Tüten“ unterschieden. Während sich die Jungs über Bier und Männerzeitschriften freuen dürfen, bekommen die Mädels Radler und die Trends aus der neuen „Maxi“ zu lesen. Da haben wir es wieder. Die klassische, althergebrachte Differenzierung zwischen Mann und Frau. In Unternehmen gibt es dafür einen speziellen Begriff: Gender-Marketing.
Quelle: Edeka
Gender-Marketing nutzt die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungs sowie zwischen Frauen und Männern hinsichtlich ihrer Bedürfnisse für die Produktentwicklung, den Vertrieb und besonders für das Marketing. Die Zielgruppen sollen somit effizienter und spezifischer angesprochen werden. Außerdem steht das Erzielen höherer Preise, „Gender-Pricing“ genannt, im Vordergrund, da besonders Frauen bereit sind, gerne mal etwas mehr Geld für ein Produkt zu zahlen. Vor allem, wenn sie darin einen emotionalen Wert sehen. So sind die Produkte für Männer oft hart, feurig, eckig, kalorienreich und billig, während Frauen mit weichen, runden, kalorienarmen und teuren Produkten gelockt werden. Gender-Marketing richtet sich also hauptsächlich an heterosexuelle Männer und Frauen.
Kritik an der Marketingstrategie
Die Gefahr ist groß, dass Gender-Marketing das klassische Schubladendenken fördert und somit die Gleichstellung der Geschlechter behindert wird. Außerdem wird den Konsumenten bewusst oder auch unbewusst verdeutlicht, dass sie ein Geschlecht haben. Was bei den meisten Produkten realistisch gesehen eher irrelevant ist. Insbesondere bezüglich der LGBTQ+-Kunden (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer und mehr) sollten Unternehmen Gender-Marketing sowohl aus moralischen als auch aus ökonomischen Gründen kritisch hinterfragen. Bei Kindern besteht das Risiko, dass durch die bewusste Produktdifferenzierung die persönliche Entfaltung unterdrückt wird und sie nicht hinterfragen, mit welchen Produkten sie lieber spielen wollen, sondern was stattdessen ihrem Geschlecht entspricht.
Best-Practice-Beispiele
Gender-Marketing für weibliche Kunden unter dem Motto „pink it and shrink it“ funktioniert nicht. Gillette macht vor wie Unternehmen Gender-Marketing nutzen können, um mehr Gewinn zu erzielen. Aus ein und demselben Produkt (Rasierer) macht Gillette zwei verschiedene Produktlinien mit großem Erfolg. Frauen werden dabei durch Emotionen angesprochen, während Männer durch Funktionalität überzeugt werden. Auch wenn Gillette in seinen Werbekampagnen deutlich mit Klischees spielt, kommt die Strategie bei den Verbrauchern super an.
Quelle: Procter & Gamble Service GmbH
Quelle: Robert Bosch GmbH
Kaum eine Frau würde auf die Idee kommen, einen Männer-Rasierer zu kaufen und umgekehrt. Die Differenzierung hinsichtlich des Geschlechts hat für das Unternehmen somit den Vorteil, dass die Rasierer für Frauen teurer verkauft werden können, da weibliche Kunden in der Regel mehr Geld für ihr Äußeres ausgeben. Ein weiteres erfolgreiches Beispiel ist der Akkuschrauber Ixo von Bosch. Durch seine Ästhetik sollen Frauen zum Kauf angeregt werden, ohne dass das Produkt explizit als „Frauenprodukt“ beworben wird. In den typischen Bosch-Farben und mit den Vorzügen „klein, leicht und einfach zu bedienen“ wurde der Akkuschrauber Ixo zum meistverkauften Elektrowerkzeug der Welt. Die Hälfte der Käufer ist weiblich.
Coral will weg von den Klischees
Die Marke Coral des Unternehmens Unilever hat sich für eine neue Markenpositionierung entschieden. In der Waschmittelwerbung wird von nun an nicht mehr mit den typischen Geschlechterrollen gespielt. Stattdessen möchte Coral realitätsnah zeigen, wie sich das Wäschewaschen in den Haushalten heutzutage abspielt:
Quelle: Unilever
Nicht mehr: Glückliche Hausfrau, weißer als weiß und alle damit verbundenen Klischees. Sondern ein cooler Typ und das echte Leben als Ausgangspunkt für Waschmittelwerbung im 21. Jahrhundert (Johannes Buzási, Geschäftsführer bei Fischer-Appelt Advertising).
Gender-Marketing ist komplex
Unternehmen können durch den Fokus auf Geschlechter viel falsch machen und müssen daher berücksichtigen, welche geschlechterspezifischen Bedürfnisse ihre Kunden tatsächlich haben. Gerade in der heutigen Zeit ist das Schubladendenken weder angebracht noch umsetzbar. Im Fall des oben gezeigten Negativbeispiels von Edeka, führten die zahlreichen, entsetzten Reaktionen der Konsumenten dazu, dass die Frauen- und Männer-Bratwürste schnell aus dem Sortiment genommen wurden. Die Produkte in „typisch weiblich“ und „typisch männlich“ zu separieren, funktioniert einfach nicht, da traditionelle Geschlechterrollen nicht mehr zeitgemäß sind. Mit modernen Ansätzen und einer cleveren Umsetzung können Unternehmen hingegen große Erfolge erzielen und hohe Gewinne einfahren.
Wie steht ihr zum Thema Gender-Marketing? War euch bewusst, wie oft ihr in eurem Alltag mit der geschlechterspezifischen Differenzierung von Produkten konfrontiert werdet?
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[…] Geschlechter spielen auch im Hinblick auf die Produktentwicklung und das Marketing, Stichpunkt: Gender-Pricing, für die Bewerbung eines Produktes eine wichtige Rolle. Wenn euch dieses Thema interessiert, schaut auch gerne bei diesem Beitrag vorbei: Gender-Marketing […]