Wir leben in einer Gesellschaft in der unterschiedlichste Unternehmen nach unserer Aufmerksamkeit konkurrieren. Besonders jüngere Generationen achten nicht mehr bewusst auf die herkömmliche Werbung mit der wir überladen werden. Umso wichtiger ist dann, die jeweilige Werbung so zu gestalten, dass sie wirksamer ist, besser im Gedächtnis bleibt und Produktinformationen zu den richtigen Zeitpunkten aus dem Gedächtnis aufgerufen werden können. Wenn das Produkt jedoch nicht in der Erinnerung des Kunden bleibt, wird der Kunde bei der Kaufentscheidung nicht das beworbene Produkt wählen. Ich werde im Folgenden auf der Basis von verwiesenen Studien (siehe Quellenverweise), welche relevante kognitiv-psychologische Effekte erforschen, einen Transfer zum Marketing und der Gestaltung von Werbung erarbeiten. Die Gestaltung dient dabei dazu, dass der potenzielle Kunde die Produktinformationen im Gedächtnis behält und sie möglichst bei der Kaufentscheidung erinnert.
Elaboration
Unternehmen mit tiefsinnigeren Werten und durchdachten präsentierten Informationen haben einen Vorteil bezüglich der Kaufentscheidung des Konsumenten: Elaboriertheit (Durchdachtheit) fördert Informationen im Gedächtnis zu behalten,1 dies gilt sogar bei auditiven Nachrichten oder beim Fernsehen.2 Demnach kann es hilfreich sein, die Werte des Unternehmens in sinnvolle Assoziationen mit dem Produkt zu bringen. Denn erst ein erinnertes Produkt wird später eher gekauft. Dies ist besonders relevant für neue Marken und Unternehmen, die sich etablieren wollen. Auch die Wiedererkennung eines Produktes kann durch Elaboration gefördert werden. Dabei ist es wichtig gewisse Assoziationen mit der elaborierten Nachricht und dem Produkt zu bilden.3
Assoziationen mit den Unternehmenswerten
Im simplen Fall könnte beispielsweise eine Verpackung eines Produktes grün und mit Bildern von Bäumen gestaltet werden, während das Unternehmen das Produkt im Rahmen einer Naturschutz-Kampagne bewirbt.1,3 Ebenfalls kann ein Label für einen Bio-Laden mit Assoziationen zur Natur und Nachhaltigkeit gestaltet werden.
Weiterhin ist sinnvoll Kunden ebenfalls zum Nachdenken von gewissen Werten anzuregen. Dazu kann die Nachhaltigkeit und die Umweltfreundlichkeit eines Produktes betont werden. Mit einer Message wird das eigene umweltbedachte Verhalten potenzieller Käufer angeregt. Somit elaborieren die Kunden selbstständig über das Produkt und dessen assoziierten Werte. Diese Assoziationen bilden Elaborationen, welche wiederum helfen das Produkt besser im Gedächtnis zu behalten.
Biomark-Werbung mit Assoziationen zu „Natur“
Assoziationen mit Celebrities
Wenn um das Image des Unternehmens und des Produktes geworben wird, ist zudem hilfreich für die richtige Einstellungsbildung des potenziellen Käufers die richtigen Anwerber und Schauspieler für die Werbung auszuwählen. Wenn die werbenden Personen wie Schauspieler oder Celebrities im Einklang mit den Werten des Produkts und des Unternehmens stehen, steigert dies den Effekt der positiven Einstellung zum Unternehmen .4
Musiker als Darsteller für eine Pepsi-Werbung; Assoziationen zu: Stadium, Party-Stimmung, Hitze, kühlende Erfrischung
Beispiele von Elaboration mit Assoziationen
Ein Produkt wie ein Soft-Drink könnte mit Partylaune in Verbindung gebracht werden. Dabei kann auch die Zielgruppe beachtet werden. Als Werbende für ein Produkt (z.B. ein Soft-Drink) können Celebrities und Musiker mit einer Party-Konnotation ausgewählt werden. Je nach dem Thema der Werbung können dann Schauspieler in Szene gebracht werden.
Wenn dagegen mit dem Produkt für Umweltfreundlichkeit geworben wird, ist auch hierbei hilfreich die richtigen Celebrities oder Schauspieler mit der Konnotation von Umweltbedachtheit auszuwählen. Diese Kongruenz zwischen Schauspielern und Produktwerten hilft bei der positiven Einstellungsbildung des potenziellen Konsumenten.
Alle diese Assoziationen, sei es mit Werten oder mit Image-konsistenten Celebrities, helfen dem Konsumenten, das Produkt besser im Gedächtnis zu behalten. Dieser Effekt ist in der kognitiven Psychologie bekannt als Elaborations-Effekt und kann gezielt auf das Marketing transferiert werden.
Zugänglichkeit von Informationen
Die Qualität eines Produktes und einer Firma kann hervorragend sein. Jedoch sollten diese Informationen auch im Moment der Kaufentscheidung erinnert werden. Dies wird in der kognitiven Psychologie als „Zugänglichkeit“ bezeichnet. Informationen sind mehr oder weniger leicht erinnert oder „zugänglicher“. Dabei kann ein Gedächtnisinhalt in Vergleich zu einem anderen zugänglicher sein. Somit kann ein Produkt in einer Kaufsituation leichter erinnert werden als ein anderes Produkt.
Wenn dem Kunden die wichtigen Informationen nicht in dem Moment der Kaufentscheidung zugänglich sind, sinkt die Wahrscheinlichkeit zum Kauf eines Produktes in Konkurrenz mit anderen Marken und Produkten.5 Deshalb ist es wichtig die Zugänglichkeit von Informationen zu beachten.
Hinweisreize
Externe Hinweisreize (in der kognitiven Psychologie als „cue“ bekannt) können die Zugänglichkeit von Gedächtnisinhalten steigern.6 Externe Reize spielen eine Rolle bei der weiteren Kaufentscheidung. Wenn eine Partyszene als Setting einer Werbung gewählt wird, könnte sich der Konsument während einer Party besser an das jeweilige Produkt erinnern. Hinweisreize könnten tanzende Menschen, Disko-Lichter, Menschen mit Getränken in der Hand und weiteres in der Werbung sein. Ist nun ein potenzieller Käufer auf einer Party, können die vielen Kombinationen von Hinweisreizen den möglichen Konsumenten anregen, sich an das Produkt zu erinnern. Bekommt die Person zudem Durst beim Tanzen, begünstigen die Hinweisreize, das jeweilige Soft-Getränk auszuwählen.
Hier kann kreativ angegangen werden. Wichtig ist in der Werbung die richtigen Hinweisreize und das richtige Setting auszuwählen. Dabei ist es hilfreich zu hinterfragen auf welche Reize der Konsument in gewissen Umgebungen stoßen wird.
Coca-Cola-Werbung mit dem Hinweisreiz „Strand“
Umsetzung bei größeren Unternehmen
Bei Werbung von größeren Unternehmen kann die Umsetzung solcher Prinzipien beobachtet werden, wie bei Pepsi oder Coca Cola. Dieses Prinzip der Zugänglichkeit könnte jedoch auch weitergehend bei vielen Marken und Produkten gezielt genutzt werden. Coca Cola könnte in der Nähe von Stränden Plakate aufhängen, mit einem Strand-Setting. Der Hinweisreiz des Strandes auf dem Bild führt zu einer Assoziation mit dem Strand. Begeben sich potenzielle Kunden zum Strand oder planen zum Strand zu gehen, könnten sie sich an Coca Cola erinnern und folgend auf dem Weg oder am Strand das Softgetränk kaufen.
Ein weiteres Beispiel der Umsetzung: Windeln
Dieses Prinzip kann auf unterschiedlichste Bereiche angewandt werden und somit auch für Unternehmen jeder Richtung genutzt werden. Ein ganz anderes Beispiel könnten Windeln sein.
Eine Mutter könnte Windeln für ihr Kind benötigen. Die Mutter bemerkt, dass keine Windeln mehr vorhanden sind und das Kind weint. Sie bittet den Vater auf das Kind aufzupassen und fährt zum nächsten Supermarkt, wo sie sich aus dem Regal Windeln einer spezifischen Marke heraus nimmt. Auf der Verpackung ist zudem ein Kind mit einer betreuenden Person abgebildet. Ein letztes Statement der Werbung könnte dann sein: „Weil wir fürsorglich für unsere Kinder sind.“
Unterschiedliche Variationen der Werbung könnten auch andere BetreuerInnen zeigen, um mehrere Hinweisreize vorzubereiten. Ist die Mutter in einer Situation in der Windeln benötigt werden und gewisse Personen ebenso da sind, könnte sie sich dann an genau diese Marke erinnern. Der Mutter können sogar einfache Strategien mit dem Umgang der Situation in die Hand gelegt werden.
Einige Hinweisreize sind also bei diesem Beispiel: Der eigene emotionale Zustand der Fürsorge, eine mögliche weitere Person, die auch anwesend ist und gebeten werden könnte auf das Kind aufzupassen, die Autofahrt und das Kaufregal. Alle diese Hinweisreize sind mit dem Produkt durch die gezielte Werbung assoziiert. Jede weitere Konfrontation mit den Hinweisreizen begünstigt, dass sich der Konsument an das jeweilige Produkt erinnert.
Wird dieses Prinzip einmal verstanden, kann auch dieses kreativ auf unterschiedlichste Art und Weise für unterschiedlichste Produkte und Marken angewandt werden. Jedoch sollte bedacht werden, dass ein Kunde mehr als nur aus Gedächtnisprinzipien besteht. Wenn ein Kunde eine Abneigung gegen ein Unternehmen hat, bringt die Erinnerung an das Produkt während der Kaufentscheidung dennoch nicht viel.
Elaboration, Werte des Unternehmens oder Zugänglichkeit?
Das Mittel der Zugänglichkeit ist ein sehr einflussreiches Werkzeug der Werbungsgestaltung. Sogar eine einmalige vorherige Konfrontation mit der Marke kann die Zugänglichkeit und Wahrscheinlichkeit erhöhen, ein beworbenes Produkt im Vergleich zu anderen Produkten auszuwählen.7 Gerade deshalb ist die Beachtung von kognitiven Gedächtnisprinzipien für neue Unternehmen in ihrer Gestaltung der Werbung relevant. Natürlich können gleiche Prinzipien für das Copywriting verwendet werden.
Elaborationen können somit eine wichtigere Rolle spielen als die Zugänglichkeit! Wenn die Zielgruppe eher umweltfreundliche und nachhaltigere Kaufentscheidungen treffen will, aber die Werte des Unternehmens sich mit denen der Zielgruppe widersprechen, bringt Zugänglichkeit weiterhin nicht viel.
Eine Firma, die dafür bekannt ist andere Länder auszubeuten, Wasserreserven günstig aufzukaufen und dann für Profit zu verkaufen, ebenso öffentlich Kund gibt, dass Wasser kein Grundrecht des Menschen ist, könnte Schwierigkeiten haben ein veganes Produkt mit den Werten von Umweltverträglichkeit zu vertreiben. Dagegen könnte solch ein veganes Produkt als Genussalternative dargestellt werden, um zumindest jene anzusprechen, die vermehrt alternative Produkte wollen, anstelle sich mit den moralischen Werten des Unternehmens zu beschäftigen. Andererseits wird durch solche oberflächlichen Elaborationen die Zielgruppe eingegrenzt. Nur jene werden das vegane Produkt eher kaufen, die sich nicht zu sehr um die negativen Konsequenzen kümmern. Diese können sein, dass eine Firma unterstützt wird, die Profit auf Kosten des Durstes ärmerer Bevölkerungen macht. Denn sogar wenn die Werbung besonders gut ist, könnte eine vegane, umweltbewusstere Zielgruppe solche Produkte ablehnen.
Chancen für Start-ups
Genau hier ergeben sich Möglichkeiten für Start-ups. Sie können Wertebewusstsein in den Vordergrund stellen und demnach Elaborationen in ihre Werbung einsetzen, die ihre Werte betonen. Immer mehr Konsumenten wollen positive Alternativen für die sie sich gerne entscheiden. Jedoch bedeutet das, dass neue Unternehmen sich ebenso mit Gedächtnisprinzipien auseinander setzen sollten. Das Image des Unternehmens und die Elaboration spielen eine wichtige Rolle. Genau das können dann wiederum neuere Unternehmen als Vorteil nutzen, um gegen weniger umweltgerechte Unternehmen zu konkurrieren.
Ideal ist es beides zu kombinieren: Die Zugänglichkeit der Informationen zu beachten, sodass in der richtigen Situation die Informationen aufgerufen werden können. Aber auch die dargestellte Elaboration ist wichtig, wie das Firmenimage und die Werte, die das Unternehmen mit dem Produkt vermitteln will. Zugänglichkeit und Elaboration können die weitere Kaufentscheidung beeinflussen. Wichtig ist darüber hinaus, dass der Kunde nicht auf einfache Gedächtnisprinzipien reduziert wird, sondern auch dessen weitere komplexe Kaufentscheidungen wie auch sein Wertebewusstsein berücksichtigt werden. Beide Gedächtnisprinzipien können zum Vorteil für Start-ups genutzt werden, um genau jene Kunden abzufangen, die bewusster einkaufen wollen.
Autor:
Kubilay Bora Övün
Quellen:
1 Staresina, B. P., Gray, J. C., & Davachi, L. (2008). Event congruency enhances episodic memory encoding through semantic elaboration and relational binding. Cerebral Cortex, 19(5), 1198-1207.
2 Lang, A., Sias, P. M., Chantrill, P., & Burek, J. A. (1995). Tell me a story: Narrative elaboration and memory for television. Communication Reports, 8(2), 102-110.
3 Fisher, R. P., & Craik, F. I. (1980). The effects of elaboration on recognition memory. Memory & Cognition, 8, 400-404.
4 Kirmani, A., & Shiv, B. (1998). Effects of source congruity on brand attitudes and beliefs: The moderating role of issue‐relevant elaboration. Journal of Consumer Psychology, 7, 25-47.
5 Biehal, G., & Chakravarti, D. (1986). Consumers‘ use of memory and external information in choice: Macro and micro perspectives. Journal of Consumer Research, 12, 382-405.
6 Tulving, E., & Osler, S. (1968). Effectiveness of retrieval cues in memory for words. Journal of experimental psychology, 77, 593.
7 Coates, S. L., Butler, L. T., & Berry, D. C. (2006). Implicit memory and consumer choice: The mediating role of brand familiarity. Applied Cognitive Psychology: The Official Journal of the Society for Applied Research in Memory and Cognition, 20, 1101-1116.