Bei der Gründung eines Start-ups sind viele relevante Aspekte zu beachten. Besonders einer davon kann ziemlich schnell zum Stolperstein werden und hat schon viele Gründer von der Realisierung ihrer Idee abgehalten: Die Finanzierung. Diese muss jedoch kein Grund zum Verzweifeln sein, denn für Deutschlands Start-ups gibt es eine Möglichkeit abseits des Standards, um an eine Finanzierung zu gelangen: Die Teilnahme an der auf VOX laufenden Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“.
Das seit August 2014 ausgestrahlte Fernsehformat bietet angehenden Start-ups die Chance, ihre Geschäftsidee vor einer prominenten Investoren-Jury zu präsentieren. Überzeugt die Idee einen der sogenannten „Löwen“, kann ein Deal zustande kommen bei dem der Investor/die Investorin im Austausch gegen Firmenanteile in das Start-up investiert. Das Ganze ist dabei als unterhaltsame Fernsehshow verpackt. Weltweit wird das TV-Format, das Gründer und Investoren vor den Augen des Fernsehpublikums zusammenbringt, in verschiedenen Varianten ausgestrahlt und hat sich zu einem sehr beliebten Unterhaltungskonzept entwickelt. Zwischen 2,4 und 2,9 Millionen Menschen schalteten im Durchschnitt in Deutschland ein, als es 2019 um die Präsentationen der neuen Geschäftsideen ging. Prominente Investoren wie Carsten Maschmeyer, Dagmar Wöhrl oder Judith Williams und neuartige (sowie teils kuriose) Ideen begeistern Deutschlands Fernsehpublikum.
Mit den hohen Einschaltquoten und zahlreichen Berichten in diversen anderen Medienformaten ist die Show ins Blickfeld der Masse gerückt – doch in welchem Zusammenhang steht die erfolgreiche Show mit der Start-up-Kultur in Deutschland? Zur Beantwortung dieser Frage lohnt es sich auf die erfolgreichen und auch gescheiterten Start-up-Deals zu schauen, welche die Show in insgesamt 6 Staffeln präsentiert hat. Einige der in der Show aufgetretenen Start-ups, wie beispielsweise Waterdrop, 3Bears, ArtNight, Little Lunch oder Ankerkraut haben sich mittlerweile zu bekannten Marken entwickelt.
Waterdrop
Das Beispiel Waterdrop zeichnet ein klares Bild vom Einfluss der Show auf den Erfolg des Start-ups: Das Wiener Gründer-Trio (bestehend aus Christoph Hermann, Henry Wieser und Martin Murray) präsentierte 2018 seinen „Microdrink Waterdrop“: Kleine, würfelförmige und zuckerfreie Brausetabletten auf Basis von echten Früchten, die Wasser mit Geschmack und Vitaminen anreichern. Löwin Dagmar Wöhrl konnte von dem Konzept begeistert werden und investierte. Der Auftritt in der Show sorgte für eine massiv gesteigerte Reichweite: In den ersten 24 Stunden nach Ausstrahlung der Sendung kam es zu ca. 30.000 Bestellungen. Seit der Teilnahme an der Show explodierte die Nachfrage förmlich und Waterdrop behauptet sich seitdem auf dem deutschen Markt: Neben dem Onlineshop sind mittlerweile sogar neun betretbare Läden eröffnet worden.
Das Beispiel Waterdrop zeigt anschaulich, wie eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen Investor und Start-up durch die Show entstehen kann. Durch die Finanzierung, das Know-how und die Kontakte von Investorin Dagmar Wöhrl konnte das Waterdrop-Trio eine erfolgreiche Expansion vollziehen. Im Jahr 2018 lag der Jahresumsatz von Waterdrop bereits bei ca. 5 Millionen Euro. Bis Ende des Jahres 2019 wurde ein Jahresumsatz von ca. 20 Millionen Euro prognostiziert und für die Zukunft wird bereits der Eintritt in den US-amerikanischen Markt geplant.
Start-up-Kultur in Deutschland
Betrachtet man die Einschaltquoten und die Beliebtheit der Show sowie den Erfolg vieler dort präsentierter Produkte, so könnte man im ersten Moment vermuten, dass die Show vielleicht die Start-up-Kultur in Deutschland beeinflusst oder sogar einen Anstieg von Gründungen zur Folge haben könnte. Schaut man sich jedoch Zahlen und Fakten an, wird schnell klar, dass dies eher eine subjektive Wahrnehmung ist. Vorhandene Statistiken zeichnen ein ganz eigenes Bild der Start-up-Kultur in Deutschland: Auf der einen Seite wird das Gründen in Deutschland immer schneller möglich. Laut Daten der Weltbank dauerte es im Jahr 2004 weltweit betrachtet noch ca. 49 Tage, um ein Unternehmen zu gründen. Im Jahr 2018 dauerte es im Schnitt nur noch 20 Tage. Und in Deutschland ist es im Durchschnitt noch schneller möglich ein Unternehmen zu gründen: Nämlich in nur rund acht Tagen. Allerdings sinkt auf der anderen Seite der Anteil der Gründer der erwerbstätigen Bevölkerung in den letzten Jahren: Während es im Jahr 2014 noch 1,8% waren, sank die Zahl im Jahr 2018 auf 1,06%. Auch ist die Zahl der Existenzgründungen in Deutschland in den letzten Jahren gesunken. Zudem gab bei einer Befragung die Mehrheit von ca. 300 befragten Gründern an, aus verschiedenen Gründen nicht an der Gründungsshow teilnehmen zu wollen. Somit kann nicht gesagt werden, dass die beliebte Show für mehr Unternehmensgründungen gesorgt hat.
Es sollte dabei nicht vergessen werden, dass „Die Höhle der Löwen“ ein Fernsehformat ist, das in erster Linie Unterhaltung und hohe Zuschauerzahlen zum Ziel hat und somit auf die Interessen der Zuschauer zugeschnitten ist. Langwierige, formelle und eher als „trocken“ angesehene Aspekte werden nicht gezeigt, sondern nur die spannenden Aspekte (wie der Pitch vor den Investoren). Bei realen Verhandlungen, ohne Fernsehpublikum, werden mehr relevante Aspekte beleuchtet, welche hier hinter den Kulissen bzw. im Nachhinein besprochen werden, z. B. die Due-Diligence-Prüfung. Daher kommt auch eine hohe Rate von im Nachhinein geplatzten Deals zustande: In den ersten fünf Staffeln platzten durchschnittlich 40% der in der Sendung abgeschlossenen Deals in den Nachverhandlungen. Auch aus anderen Gründen zeichnet die Show kein realistisches Abbild der deutschen Start-up-Kultur: 2019 war in Staffel 6 ein großer Teil der Start-ups aus dem Bereich „Food“ vertreten (18 von 56). Währenddessen waren nur acht Start-ups aus dem Bereich „Tech“ präsent, während in der Realität die digitalen Geschäftsmodelle 2019 einen Anteil von rund zwei Drittel aller deutschen Start-ups ausmachten.
Lohnenswerte Chance ?
Ob es für anstrebende Gründer immer lohnenswert ist bei dem Format mitzumachen, kann nicht verallgemeinert werden. Wenn ein Start-up primär das Investment zum Ziel hat, gibt es andere Wege, um eine Finanzierung zu erhalten. Dazu zählt etwa Bootstrapping, die Aufnahme eines Kredits oder staatliche Zuschüsse. Wenn aber eine Steigerung der Bekanntheit zu den Zielen eines Start-ups zählt, kann die Show eine echte Chance sein – und zwar mit – aber auch ohne – Deal mit den Löwen. Schaut man sich den Fall der Lern-App Math42 an, so wird deutlich, dass auch ohne Deal mit den Investoren alleine der Auftritt in der Show zu Erfolg führen kann. Die beiden Gründer Maxim und Raphael Nitsche aus Berlin stellten ihre Lern-App vor – aber kein Löwe wollte investieren. Durch die mediale Aufmerksamkeit der Show wurde jedoch ein anderer Investor (das amerikanische Unternehmen Chegg) auf das Duo aufmerksam – und investierte 12,5 Millionen Euro.
Fazit
Um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Es kann nicht gesagt werden, dass die Show etwas an der Gründungsfreudigkeit der Gesellschaft geändert hat oder eine drastische Veränderung der Start-up-Kultur in Deutschland zur Folge hat. Aber ein genereller Einfluss auf die Start-up-Kultur Deutschlands kann nicht verneint werden, denn Einfluss auf den Markt hat die Show auf alle Fälle: Einige Produkte, die in den sechs Staffeln Investitionen erhalten haben, haben mittlerweile einen festen Platz auf dem Markt und haben den Gründern (sowie den Investoren) großen Gewinn eingebracht. Auch wurde das Sortiment von Supermärkten wie EDEKA und REWE um einige innovative Produkte erweitert. „Die Höhle der Löwen“ ist ein erfolgreiches Format, das augenscheinlich den Puls der Zeit und den Geschmack der Masse trifft. Hinter dem Unterhaltungsaspekt geht es tatsächlich um reale Investments, weswegen die Show sowohl für die Investoren als auch die teilnehmenden Gründer eine reale Erfolgsmöglichkeit darstellt, die (wie man von Staffel zu Staffel erkennt) auch ziemlich gut funktionieren kann.
Autorin:
Patricia Pranschke
GS Paderborn
Quellen:
https://www.gruenderszene.de/media/dhdl-2019-deal-uebersicht
https://www.businessinsider.de/hoehle-der-loewen-zahlen-und-fakten-zu-den-geplatzte-deals-2019-9
https://www.deutsche-startups.de/2014/07/28/die-hoehle-der-loewen-vox-august/
https://de.statista.com/infografik/19682/zeit-und-kosten-zur-unternehmensgruendung/
https://de.statista.com/infografik/5871/unternehmensgruendungen-und-anzahl-gruender/
https://de.statista.com/infografik/15316/umfrage-teilnahme-von-startups-an-fernsehsendungen/
https://www.gruenderszene.de/business/dhdl-staffel-sechs-branchen
https://www.shopify.de/blog/die-hoehle-der-loewen
https://www.tz.de/tv/hoehle-loewen-darum-platzt-erste-millionen-deal-nach-show-zr-9206641.html
https://www.zeit.de/campus/2017/04/gruender-finanzierung-bootstrapping-kredit
https://www.startupvalley.news/de/microdrink-brand-waterdrop/
https://www.businessinsider.de/hoehle-der-loewen-zahlen-und-fakten-zu-den-geplatzte-deals-2019-9
https://www.ifm-bonn.org/statistiken/gruendungen-und-unternehmensschliessungen/#accordion=0&tab=0