Unsere Generation Y wird häufig auch als Generation Praktikum bezeichnet. Uns wird nachgesagt, dass wir schlecht Entscheidungen treffen können, weshalb wir uns unsicher seien, was wir in der Zukunft machen wollen. Deshalb wollen wir durch Praktika so viel wie möglich austesten. Allgemein ist dies doch eine sehr einseitige Sicht der Dinge, denn ein Praktikum bietet so viel mehr, als nur das bloße Austesten eines Berufes. Unser Mitglied Clarissa Büngeler gibt uns einen Einblick in ihre Erfahrungen und hilfreiche Tipps rund um Praktika.
Chillen oder Praktikum?
Viele meiner Freunde nutzen die Semesterferien, um zu reisen, einfach mal nichts zu tun oder Freunde zu treffen. Eben all das, was in stressigen Klausurenphasen weg fällt. Ist es also schlimm, wenn das alles wegen einem Praktikum weg fällt? Definitiv nein!
Da ich mich später (ziemlich wahrscheinlich) in den Financebereich ausrichten möchte, habe ich meine drei Praktika dementsprechend in der Finanz- und Immobilienbranche verbracht. Und nach diesen Erfahrungen kann ich sagen, dass ein Praktikum einen sehr viel größeren Mehrwert bietet als Netflix und Co. langfristig jemals bieten würden.
Zu den – meiner Meinung nach – größten Vorteilen eines Praktikums kommen wir nämlich jetzt:
Übung macht den Meister
Der erste Praktikumstag rückt näher. Bei mir ist dies immer mit Nervosität verbunden. Vor meinem vorletzten Praktikum in einer Bank war dies sogar so schlimm, dass ich in der Nacht davor kein Auge zumachen konnte. Andauernd sind mir alle möglichen Szenarien durch den Kopf gegangen, was am nächsten Tag wohl alles schief laufen könnte.
Natürlich ist es nicht so gelaufen, wie ich es mir in der vorherigen Nacht ausgemalt hatte. Das „Schlimmste“, was in dem Fall passiert ist, war, dass in dem Brief mit der Einladung zum ersten Tag eine falsche Adresse stand. Dementsprechend stand ich dann in Düsseldorf statt in Münster am Empfang. Das war natürlich ärgerlich, wenn man deshalb erstmal vier Stunden zu spät beim Praktikum erscheint, aber es war nicht meine Schuld.
Alle „Horror-Szenarien“ wie: „Was ist, wenn ich was falsch mache?“, „Mögen mich wohl die neuen Kollegen?“ etc. treten wirklich nie so ein, wie man sie sich vorher ausmalt. Dementsprechend gelassen war ich dann auch schon vor meinem ersten Praktikumstag, bei meinem letzten Praktikum im Asset Management einer Versicherung im Februar.
„Welpenschutz“
Ein anderer großer Vorteil ist, dass man sozusagen unter „Welpenschutz“ steht. Fehler machen ist im Praktikum normal und auf jeden Fall auch erlaubt. Am Anfang hatte ich die Befürchtung, direkt alles auf Anhieb perfekt machen zu müssen und habe mich deshalb auch etwas unter Druck gesetzt. Eine sehr surreale Vorstellung, denn wie soll ich etwas richtig machen, was mir total fremd ist. Keiner erwartet, dass auf Anhieb jede Aufgabe, die einem zugeteilt wird, perfekt gemeistert wird. Man macht schließlich ein Praktikum, um zu lernen wie bestimmte Dinge ausgeführt werden.
Oder etwa doch nicht?
Es kann aber natürlich auch passieren, dass man mit einer Aufgabe ins kalte Wasser geschmissen wird und man im ersten Moment daran zweifelt, wie man diese Aufgabe überhaupt bewältigen soll. Ich persönlich bin nicht der größte Fan vom Präsentieren. Demzufolge kann man sich wahrscheinlich denken, was ich mir gedacht habe, als mir bei meinem letzten Praktikum gesagt wurde, dass ich ganz alleine eine Präsentation über meine Einschätzung der Risiken auf europäischen Immobilienmärkten halten sollte. Mein erster Gedanke war, wie das überhaupt funktionieren soll, wenn ich als Praktikantin, die eigentlich nicht wirklich Ahnung von diesen Themen hat, den Profis meine Einschätzungen mitteilen soll, mit denen diese dann später arbeiten werden.
Die eigenen Skills ausbauen
Die Präsentation ist super gelaufen. Alle waren total begeistert von meinen Ausarbeitungen und auch von der Art und Weise wie ich vorgetragen habe. Ich habe durch diese Aufgabe nicht nur viel fachliches gelernt, sondern auch meine Soft Skills erweitert. Beispielsweise habe ich meine Präsentationstechniken, Teamfähigkeit und Problemlösungskompetenz, aber auch meine Eigenverantwortung und mein Engagement weiter ausgebaut. Man lernt bei einem Praktikum nicht nur die Branche, mit ihrem spezifischen Wissen und Arbeitsweisen, kennen, sondern gleichzeitig auch Fähigkeiten, die einen persönlich weiterbringen. Die Eigenschaften Teamfähigkeit und Problemlösungskompetenz sind mir bisher auch in der jetzigen Situation von Covid-19 zu Gute gekommen, da wir im Vorstand alle unseren ursprünglichen Plan für das Semester umschmeißen mussten und Lösungen für dieses völlig unvorhersehbare Problem entwickeln mussten.
Das Kennenlernen eines Berufes
Zu guter Letzt komme ich noch zum eigentlichen Kerninhalt eines Praktikums: Das Kennenlernen eines Berufes. Der Satz „Hmm, irgendwie habe ich mir den Beruf total anders vorgestellt…“ ist den meisten von uns wahrscheinlich nicht fremd. Meiner Meinung nach ist der größte Vorteil des Praktikums, dass man einfach mal in das Berufsfeld hinein schnuppern kann. Man kann sich selbst ein Bild davon machen, ob man sich zukünftig vorstellen kann in diesem Bereich für die nächsten Jahre zu arbeiten. Ich muss auch sagen, dass ich mir den ein oder anderen Beruf, den ich auf diese Art und Weise kennengelernt habe, komplett anders vorgestellt habe. Von daher bin ich wirklich sehr froh, dass es die Möglichkeit gibt Berufsfelder von allen Seiten kennen zulernen.
Insgesamt bietet ein Praktikum für mich die beste Möglichkeit, die Theorie der Uni in der Praxis umzusetzen und ich freue mich immer umso mehr, wenn ich tatsächlich etwas anwenden kann, was ich beispielsweise für die letzte Klausur gelernt hatte. Dann kann man direkt motiviert ins nächste Semester durchstarten, wenn man weiß, dass nicht alles was man lernt total umsonst ist, sondern sich später noch einmal auszahlen wird.
Autorin:
Clarissa Büngeler
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