Das Corona-Problem der Luftfrachtindustrie | MTP e.V.

Die Geschichte der leeren

Passagierflugzeuge


Für gewöhnlich starten und landen täglich Tausende von Passagierflugzeugen an deutschen Flughäfen. Allein in Frankfurt am Main, Deutschlands größtem Flughafen, werden im Schnitt pro Tag fast 200 Tausend Passagiere abgefertigt. Diese Zahlen haben sich in den letzten Monaten drastisch verändert. Aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie sind an einigen Flughäfen die Fluggastzahlen um zeitweise über 95 Prozent eingebrochen. Auf den ersten Blick ein Problem, jedoch kein unlösbares. Für die Lufthansa gibt es Staatshilfe der Bundesregierung und auch in vielen anderen Ländern der Welt werden Airlines von Regierungen unterstützt und Arbeitsplätze durch Kurzarbeit und ähnliche Maßnahmen gerettet. Mit diesem Rückgang geht aber ein viel gravierenderes Problem einher, welches sich gut versteckt im Bauch eines jeden Flugzeuges befindet: Auf einem gewöhnlichen Langstreckenflug von beispielsweise Frankfurt nach Chicago werden neben den Passagieren und deren Gepäck im Laderaum des Flugzeuges auch Tonnenweise Fracht mitgeführt. 45 Prozent aller Luftfracht wird auf diesem Wege transportiert. Man muss nicht BWL studiert haben, um zu erkennen, dass sich ein riesiges Problem ergibt, wenn von heute auf morgen diese 45 Prozent fast komplett ausfallen. Genau dieses Problem ist im März 2020 aufgetreten.

Das grundlegende Prinzip jeder Marktwirtschaft ist das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Bezogen auf die Luftfracht gab es im März 2020 einen extremen Rückgang des Angebots. Jedoch kam es gleichzeitig auch weltweit aufgrund von weitreichenden Ausgangssperren in vielen Ländern zu einem starken Rückgang des Konsums. Theoretisch müsste dadurch der Rückgang beim Angebot durch einen Rückgang bei der Nachfrage abgefangen werden – vor allem mit Blick auf die vielen geschlossenen Fabriken und Produktionen.

Leider fehlt in dieser Rechnung ein wichtiger Teil – und zwar der Aspekt der weltweiten Gesundheit. Bereits kurz nach der Entdeckung des neuartigen Virus COVID-19 war klar, dass es sich hierbei um höchst ansteckende Viren handelt. Zur Behandlung eines so ansteckenden Virus ist spezielle Schutzausrüstung für Ärzte und Pfleger von höchster Wichtigkeit. Jedes Krankenhaus hält einen gewissen Vorrat dieser Ausrüstung parat, jedoch waren die wenigsten auf einen so flächendeckenden Einsatz dieser Schutzausrüstung vorbereitet. Deshalb musste so schnell wie möglich Nachschub beschafft werden.

Der Großteil der weltweiten Produktion solcher Schutzausrüstungen findet in China statt. Neben dem Problem der geringen Verfügbarkeit aufgrund von extremer Nachfrage ist der einzige Weg, diese Güter rechtzeitig zu Corona-Hotspots, wie beispielsweise Italien, zu bringen, über die Luftfracht. Diese massiv gestiegene Nachfrage führte dazu, dass die durchschnittlichen Preise für die Luftfracht-Route von Shanghai nach Europa Ende März um fast 50 Prozent anstiegen. Natürlich wurden daraufhin die Kapazitäten erhöht, jedoch kann das Fehlen von hunderttausenden Passagierflügen und der damit verbundenen Frachtkapazität nicht von heute auf morgen ausgeglichen werden. Also mussten kreative Lösungen her.

Ein entscheidender Faktor bei der Suche nach diesen Lösungen waren die in dieser Zeit unglaublich niedrigen Preise für Kerosin. Aufgrund der so abrupt gesunkenen Nachfrage für jegliche Art von Treibstoff sanken auch die Preise für Kerosin um fast 40 Prozent. Die Kombination aus diesen beiden Faktoren führte dazu, dass es sich für Airlines lohnte, Passagiermaschinen komplett ohne Passagiere und nur mit Luftfracht zu beladen. Die amerikanische Fluggesellschaft United Airlines hatte beispielsweise an manchen Tagen über ein Dutzend Flugzeuge gleichzeitig in der Luft, welche normalerweise mit jeweils über 200 Passagieren gefüllt gewesen wären. Zu dieser Zeit waren sie lediglich mit den verschiedensten medizinischen Gütern beladen.

Ein weiteres einzigartiges Phänomen dieser Zeit: Für einen kurzen Moment war ein Flughafen in Alaska der verkehrsreichste Flughafen der Welt. Normalerweise stehen auf dieser Liste große Drehkreuze wie Atlanta, London oder Dubai ganz oben. Allerdings wurde der Flugverkehr an diesen entscheidenden Knotenpunkten zu großen Teilen eingestellt. Der Flughafen von Anchorage in Alaska fungiert als ein wichtiger Zwischenstopp auf dem Weg von Asien in die USA. Da zu dieser Zeit die erste Infektionswelle die USA erreichte, entstand ein gigantischer Bedarf an medizinischen Gütern, welche über dieses Drehkreuz eingeflogen wurden.

Für die Luftfrachtindustrie ergeben sich Langzeitprobleme...

Sämtliche Prognosen über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung gehen davon aus, dass es Jahre dauern wird, bis die Welt das wirtschaftliche Niveau erreicht, welches es vor der Krise gab.

Damit werden sinkender Konsum und eine weltweit sinkende Produktion einher gehen. Sollte die starke Nachfrage nach schnell verfügbarer medizinischer Schutzausrüstung in den nächsten Monaten sinken und die Lieferanten auf den kostengünstigeren Transport per Schiff umsteigen, wird die Nachfrage nach der Luftfracht rapide zurück gehen. Kombiniert mit den Bemühungen vieler Staaten, manche Industriezweige aus Asien wieder zurück nach Europa oder in die USA zu siedeln, ergibt sich ein düsteres Bild für die Zukunft der Luftfrachtindustrie.

Autoren:

Matthias Gräf

Autor

GS Köln

Mona Greindl

Layout

GS Köln

Corona, Flughafen, Luftfracht
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