Weihnachten. Die Plätzchen sind schon längst gebacken, leuchtende Lichterketten schmücken unsere Zimmer mit wohlig warmer Atmosphäre und in der Küche steht schon der Glühwein auf dem Herd. Wir platzieren uns an den Schreibtisch und freuen uns auf die gemütliche digitale Weihnachtsfeier der Firma.
O, du Digitale
Was wie ein Fehler in der Matrix wirkt, wird dieses Jahr Wirklichkeit, denn das Key-Word 2020 lautet „digital“. Der Beginn eines neuen Jahrzehnts, stellt zugleich den Anfang eines Umbruchs der klassischen Lebens- und Arbeitsformen dar, egal ob man es nun ursprünglich wollte oder nicht. Der Anbieter von Erlebnis-Gutscheinen Jochen Schweizer hat wie viele andere diesen Trend erkannt und bietet auf seiner Webseite vielerlei Angebote zum gemütlichen virtuellen Beisammensein an, inklusive Privatkonzerten, Fotochallenges, Promi-Weintastings oder dem klassischen Plätzchenbacken.
Neben viel Digitalem, können wir uns in diesem Jahr auch auf ein Umdenken der altbekannten mitreißenden Weihnachtswerbespots einstellen. Besonders die Sehnsucht nach der „Normalität“ vor Corona prägt viele Menschen, sodass 38% der Befragten einer Studie des W&V, sich von den Werbungen in diesem Jahr das Gefühl von Normalität wünschen. Das zeigt sich auch im 79%igen Anstieg der Suche von Weihnachtsfilmen im September und Oktober diesen Jahrs gegenüber dem Vorjahr, welcher beweist, dass Unternehmen nun besonders auf Ablenkung und die Vermittlung von positiven Gefühlen zielen müssen. Können wir uns also gar nicht auf die erwarteten „beisammen sein, trotz Corona“-Spots einstellen und uns auf klassische herzergreifende, von Emotionalisierung und wichtigen Botschaften sprühende Messages freuen?
Nostalgie oder Realitätsflucht?
Passenderweise „feiern“ wir in diesem Jahr auch das fünfjährige Jubiläum des zu Tränen rührenden EDEKA Weihnachtswerbespots, bei welchem ein älterer Herr seine Familie durch seinen vorgetäuschten Tod endlich wieder bei sich versammeln kann und dem Zuschauer mit dem Satz „Wie hätte ich euch denn sonst zusammen bringen sollen?“ sowie dem Hashtag #heimkommen zum Nachdenken brachte. Gerade in der aktuellen Zeit wäre sowas jedoch mit Vorsicht zu genießen, da ein Drahtseilakt zwischen „Vorsicht bei Risikogruppen“ und „Vereinsamung durch Kontaktlosigkeit“ besonders heikel ist. In der Praxis heißt dies aber auch, den Fokus auf andere Dinge zu lenken: Penny richtet so das Augenmerk in ihrem knapp zweiminütigen Weihnachtsfilm auf Obdachlose, welche besonders stark von der Pandemie betroffen sind und wirbt mit dem Slogan „Stellt euch vor, Weihnachten wäre für wirklich alle …“.
Amazon hingegen konfrontiert uns direkt mit den Auswirkungen der Pandemie und lässt eine junge Ballerina nach der niederschmetternden Nachricht der Absage ihrer großen Show zu neuem Mut aufblühen, natürlich mit der dazu passenden Aussage „The show must go on“. Hier setzt man also auf Aktualität und Unvermeidbarkeit der Bedrohung von Existenzen, versucht jedoch gleichzeitig, seine Kunden und Zuschauer zu neuem Tatendrang zu motivieren. Auch der Weihnachtsmacher schlechthin Coca-Cola darf natürlich nicht fehlen, welcher zum ersten Mal seit seinem ersten Auftreten 1995 nicht mit seinem Weihnachtstruck durch die Länder rollt, um seine Fans vor Ansteckungen zu schützen. Im opulenten Werbespot hingegen spielt er weiterhin eine bedeutende Rolle und bringt so einen Vater, welcher durch alle Widrigkeiten hindurch den Wunschzettel seiner Tochter zum Weihnachtsmann an den Nordpol bringt, heim zu eben dieser.
Last Christmas… gab es mehr Lametta und weniger Masken
Zuletzt setzt Milka mit Ihrer Werbung auf eine Mischung aus Nostalgie und Appell, untermalt diesen musikalisch mit der Neuinterpretation des Songs „You’ve got the love“ von Florence + The Machine aus dem vergangenen Jahr, während die Botschaft „Helden tragen nicht immer Cape“ für die Wertschätzung von Alltagshelden, wie Postboten, aufruft. Eben dies trifft genau den Zahn der Zeit und fordert uns dazu auf, in Höhepunkten der Digitalisierung und der verstärkten Onlinebestellungen, welche laut Schätzungen in der Weihnachtszeit diesen Jahrs um etwa 4% zunehmen werden (zum Vergleich, in Vorjahren war es etwa immer 1%), mit Dankbarkeit und Rücksicht zu handeln.
Vielleicht ist das Jahr 2020 der Punkt, an dem die Werbespots nicht nur Tränchen in den Augen ihrer Zuschauer hervorrufen, sondern auch aktives Nachdenken über die Geschehnisse des Jahres und ihrer Folgen für nahezu alle Bereiche des Lebens. Wenn dann also morgen der DHL-Mann kommt und die Weihnachtsgeschenke für eure Lieben bringt, kommt ihm ein Stück entgegen oder habt allgemein im Kopf, ob der Weihnachtsmann in diesem Jahr vielleicht eher blaue Krankenhauskleidung trägt.
Autorin