Als ich mir vor zehn Jahren als Vegetarierin beim Fastfood-Restaurant nur Pommes bestellen konnte, hätte mir keiner erzählen können, dass es irgendwann mal ein ganzes Veggie-Menu und Unternehmen, die sich allein mit der Herstellung von Fleischersatzprodukten beschäftigen, gibt!
Heute stehe ich vor dem Supermarktregal und kann mich gar nicht entscheiden, ob ich den Mandel-Nuss-Tofu nehme, oder doch den Curry-Tempeh. Aber nicht nur Fleischersatzprodukte erleben in den letzten Jahren einen Boom – der Trend zum umweltbewussten Leben führte zu einem stetigen Ausbau des Lebensmittel-Sortiments in Größe und Vielfalt von Unternehmen wie Rügenwalder Mühle. Seit den 2000ern ist der Umsatz von Bio-Lebensmitteln stetig gestiegen. Der Anteil an Verbraucher*innen mit einem gesunden, nachhaltigen Lebensstil hat innerhalb von zehn Jahren ein Wachstum von 22% (2007) auf knapp 30% (2016) hingelegt. Es zeigt sich also ein Trend zur gesunden, umweltbewussten Lebensweise. Dem haben sich vor allem Unternehmen, wie Beyond Meat oder Impossible Foods gewidmet, deren Produkte ich gerade in meinen Einkaufswagen packe.
Trend zum Umweltbewusstsein
Ungefähr 90% der Deutschen möchten etwas für das Klima tun, nachhaltiger leben und die Ressourcen schonen. Mittlerweile hat auch meine Oma verstanden, was es heißt, vegetarisch zu leben. Viele Unternehmen aus Kosmetik-, Lebensmittel- und Modeindustrie krempeln ihr Angebot sukzessive um.
Genuss mit gutem Gewissen
Fangen wir mal mit der Generation „TikTok“ und „Fridays for Future“ an. Die Gen Z sind die Zukunft und daher besonders beachtenswert. Laut aktuellen Studien ernährt sich knapp 50% der Befragten zwischen 14 und 29 Jahren vegetarisch oder vegan. Im Gegensatz dazu essen 25 Prozent der Ü50-Generation vegetarisch oder vegan. Die Gen Z ist mehr als andere Altersgruppen bereit, mehr Geld für nachhaltige Produkte zu bezahlen. Sie möchten mit gutem Gewissen genießen – also ein gutes Leben führen und dabei keinem anderen schaden. Außerdem möchten sie auch mit ihren Konsumentscheidungen etwas verändern. Damit könnten sie dafür sorgen, dass dieser Trend zukünftig zum Standard wird. Denn laut einer Studie der W&V (2019) ist „Nachhaltiger Konsum […] in Deutschland keine Nische mehr: Über die Hälfte der Deutschen (57%) interessieren sich inzwischen stark für das Thema Nachhaltigkeit.“
Lifestyle of Health and Sustainability
Außerdem hat sich eine komplett neue Zielgruppe rund um das Thema Nachhaltigkeit gebildet – die LOHAS. Das bedeutet „Lifestyle of Health and Sustainability“. Die typischen LOHAS sind überdurchschnittlich gut gebildet, wohlhabend, Natur- und Outdoorurlauber*innen und Kund*innen von Biomärkten. Ihr Ziel: Unternehmen sollen fair und nachhaltig handeln. Momentan sind knapp fünf Millionen deutsche Haushalte LOHAS-orientiert und damit wichtig für die Kommunikation von nachhaltigen Produkten. Diese Zielgruppe geht damit über die Gen Z hinaus und könnte die Nachhaltigkeitswelle weiter in Richtung Zukunft befördern.
Nachhaltige Produkte sind teuer
Bevor dieser Trend zum nachhaltigen Konsum sich etabliert, stellt sich allerdings die Geldfrage. Bio- und Fleischersatzprodukte sind teuer. Auch ich staune immer wieder, wie viel man für so eine Packung Tofu ausgeben kann. Für 84% der 18- bis 29-Jährigen ist der Preis das entscheidende Kriterium bei der Kaufentscheidung. Zudem hat das Haushaltseinkommen laut aktuellen Studien einen deutlichen Effekt auf den Kauf von Bio-Lebensmitteln. Ab einem Netto-Haushaltseinkommen von 2.750 Euro steigt der Anteil des Kaufs von Bio-Produkten auf 61%. Menschen sind außerdem viel eher dafür gewillt, mehr Geld für Essen auszugeben als für Kleidung. In der Fashionbranche herrscht ein großer Unterschied zwischen den Aussagen der Konsument*innen und ihrem Konsumverhalten. Beispielsweise sind 60% der Millennials an nachhaltiger Kleidung interessiert, jedoch haben nur 30% nachhaltige Kleidung gekauft, da diese teurer ist. Es existiert eine Zwickmühle zwischen nachhaltigem Konsum und teuren Preisen. Das könnte große Auswirkungen auf die Etablierung des Trends haben.
Sowohl-als-auch-Konsum
Der Nachhaltigkeitswelle stehen noch einige Steine im Weg. Momentan handelt es sich also eher um einen „hybriden Lifestyle als postmoderne Ethik des sowohl-als-auch“. Dort, wo sich nachhaltige Produktversprechen mit einem angemessenen Preis vereinbaren lassen, greifen Verbraucher*innen eher zum nachhaltigen Produkt. Übersteigt der Preis jedoch eine subjektive Preisgrenze, wird das günstigere, nicht nachhaltige Produkt gewählt. Somit fahren die Verbraucher*innen zweigleisig und entscheiden sich nicht pauschal für nachhaltige Produkte und einen nachhaltigen Lifestyle. Letztere sind stets situations- und produktabhängig. Ob die Konsument*innen weiter fleißig nachhaltig einkaufen, kann man also noch nicht genau sagen. Es wird wohl noch länger ein „sowohl als auch“ bleiben. Das Potenzial der Zielgruppen bleibt mit der heranwachsenden Gen Z und den LOHAS hoch. Unternehmen sollten also ihr Angebot kritisch hinterfragen, um in Zukunft eine größere Zielgruppe anzusprechen. Sodass ich in zehn Jahren wieder über die neuesten Kreationen nachhaltiger Produkte staunen kann.
Autorin:
Luisa Muth
Quellenangaben:
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