Die Aufmerksamkeitsspanne eines „Zoomers“, also eines von circa 1995 bis 2010 Geborenen, beträgt acht Sekunden. Gut also, dass die Reels auf dem Ryanair Instagram-Account nur wenige Sekunden dauern. Lange genug, um Geschichten rund ums Fliegen, wie sie aus den Leben der Rezipierenden gegriffen sein könnten, zu erzählen. Ob alle 1,1 Millionen Instagram Follower den Hintergrund des Sketches zu den Toilettennutzungsgebühren, nämlich, ein im Nachhinein als „PR-Gag“ deklarierter Vorschlag des sowohl langjährigen als auch eigenwilligen Vorsitzenden der Fluggesellschaft O’Leary kennen, ist nebensächlich.
Die Ryanair Instagram-Beiträge erzeugen Aufmerksamkeit mit ihrem zeitgemäßen Stil und der selbstironischen Authentizität, auch, wenn oder vermutlich gerade weil diese zuweilen als cringeworthy abgestempelt werden können. Der Großteil der Beiträge besteht aus leicht zugänglichen Memes, die sich in für die Airline typischer Schlichtheit an ein junges Publikum richten, in denen sich der oder die Rezipient:in in seinem oder ihrem Humor im besten Fall widergespiegelt sieht.
Die Entscheidungsträger:innen der Fluggesellschaft wissen, wen es auf Social Media anzusprechen gilt. Generation Z, eine der bereits heute kaufkräftigsten Zielgruppen, die sich im Vergleich zu älteren Menschen auch bei der Reiseplanung mit 31 Prozent stärker durch soziale Medien beeinflussen lässt. Dass Ryanair nicht nur mit spektakulären Preisen, sondern auch mit Offensiv-PR auf sich aufmerksam macht, passt ins Bild. So werden außerhalb von Social Media auf einigen Maschinen der Gesellschaft Konkurrenten mit Sprüchen wie „bye bye EasyJet“ erwähnt. Potenzielle Kritik, zumindest im kleinen Rahmen, egal, ob es um Check-In-Gebühren, oder die Begrenztheit der Flugrouten auf Europa geht, kommt das Ryanair Social Media Team zuvor. Dies, indem sie es zu Content verarbeiten.
Das Unternehmen nimmt eine Marketing-Transition von „Werbung“ hin zu „Unterhaltung“ vor und erreicht genau das, was ein Kurztrip mit Ryanair ins Warme auch kann – für einen kurzen Moment Alltag, Einsamkeit, Krisen und Zukunftsdystopien hinter sich lassen.
Dass man in Form von nicht ganz ernst zu nehmenden Inhalten auf Instagram, Tiktok und Co. wirbt, ist für Ryanair die sicherste Strategie, sich nahbar und zugleich unangreifbar zu zeigen. Die Airline versucht sich im Drahtseilakt zwischen albern und Unterhaltung und schafft es so immerhin, nicht durch nervige, von den Followern unmittelbar als Werbung kategorisierte Inhalte anzuecken. Mit der Vermeidung, zumindest auf den Social Media Kanälen, von handelsüblichem Greenwashing und Co. wird keine Angriffsfläche für Shitstorms geboten. Das höchste der Gefühle sind so erzeugte Ablenkungsdebatten, mit denen bedeutendere, aber unschöne Themen umschifft oder vielleicht auch umflogen werden.
Kritikpunkte am Unternehmen gäbe es genug – Arbeitnehmerrechts-Skandale, mangelnde Gleichstellung und allen voran der Beitrag zur Nichterreichung des 1,5-Grad-Ziels. Schließlich wurde Ryanair 2018 die erste Airline, die zu den zehn Unternehmen mit den höchsten Treibhausgas-Emissionen innerhalb der EU gezählt wurde.
Amelie Börsig
QUELLEN
docs.google.com/document/d/1yxW94OsirG030en3LbjLYxeWNs1v-Q0gh5ZVeFqrUo0/edit
www.horizont.net/marketing/kommentare/markentreue-im-wandel-wie-millennials-und-zoomer-unternehmen-zu-neuer-kommunikation-zwingen-205719?crefresh=1
www.pwc.de/de/handel-und-konsumguter/so-tickt-die-generation-z.html
rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/arbeitnehmerrechte-bei-ryanair-eu-sozialkommissarin-pocht-auf-einhaltung-von-eu-recht
bit.ly/474CxV2
www.theguardian.com/business/2019/apr/01/ryanair-new-coal-airline-enters-eu-top-10-emitters-list
Bildquellen:
frankfurtflyer.de/was-ist-der-beste-ryanair-sitzplatz/
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