Matthias Storath ist Kreativchef von Heimat Berlin. Einer Agentur, die unter anderem das Soundlogo yippiejaja von Hornbach erfand, und Marken wie Smart, Gorillas, Trolli und die FDP betreut. Im Interview mit Prof. Dr. Nils Hafner und Lambert Schultz von MTP sprach er über Differenzierung als Erfolgsrezept. Wie Marketingverantwortliche Markenversprechen gestalten können, mit denen sie Kunden und Beschäftigte erreichen und welche Botschaften im Jahr 2022 gefragt sind. Diese Themen vertieft auch der Fachkongress Marketing Horizonte am 1./2.12.2021 in Münster.Weitere Infos hier und hier geht es zum Ticketshop
Wir haben uns mit eurer Agentur und eurem Motto „seriously different“ beschäftigt. Wie kamt ihr zu der Idee?
Wir glauben, dass Differenzierung der Wettbewerbsvorteil ist. Das gilt für das Produkt selbst und auch für die Kommunikation darüber. Viele Sachen draußen sehen gleich aus, deshalb bleiben sie unauffällig. Hintergrund ist, dass man häufig versucht, alles richtig zu machen. Klar will jeder mit seinen Marketingbotschaften auffallen. Zur Andersartigkeit gehört eben der Wille, anders zu sein.
Wenn man Andersartigkeit kommuniziert, baut man ein Versprechen auf. Wie bringt ihr eure betreuten Unternehmen dazu, so ein Versprechen zu verstehen und auch zu leben?
Wir sprechen vor allem Marken an, die an Differenzierung glauben. Da zieht man am Ende an einem Strang. Für Gorillas haben wir im Sommer zum Beispiel eine Plakatkampagne gemacht, die war komplett schwarz. Da war nur weiße Typo drauf, ein riesengroßes Logo, keine Bilder. Das ist eine Kampagne, die ist zunächst einmal aufgefallen. Dann war sie von den Botschaften her so anders, dass die Leute sie gepostet und geteilt haben und darüber gesprochen wurde.
Der Claim dazu lautet „faster than you“. Das ist ein hoher Anspruch und erzeugt eine entsprechende Erwartungshaltung. Er wirkt durchaus attraktiv, aber es stellt sich auch die Frage: Klappt das denn immer und fällt das nicht auf den Claim zurück?
Auf der einen Seite gefällt es mir sehr gut, dass es ein hartes Markenversprechen ist. Andererseits misst man das am Ende natürlich auch. Eine Wahrheit ist in dem Versprechen drin. Nun ist das ein rationales Versprechen. Bei uns ist immer sehr wichtig, dass es auch einen emotionalen Impact hat. Wir haben gesagt: Ihr braucht Entertainment! Es muss am Ende ein Lifestyle verkauft werden, der aber auch im Produkt geerdet ist und ich muss das Produkt verstehen.
Sind das auch Elemente, um ein Brand Promise Gap zu vermeiden?
Wenn das Markenversprechen irgendwo im Produkt geerdet ist, wird ein Brand Promise Gap vermieden. Nehmen wir das Beispiel Smart: “Cars can be good”. Das ist eine Wahrheit im Produkt, die sind komplett elektrisch. Viele Unternehmen sagen, wir gehen jetzt mal mit ’ner Purpose-Kampagne raus, wo sich am Ende die Frage stellt, was hat das mit dem Produkt zu tun? Wenn man das macht, braucht man ein ganz klares Produktversprechen und es muss einhaltbar sein, auch vom Unternehmen. Ich habe nichts davon, wenn ich ein Produktversprechen abgebe, oder auch eine Haltung kommuniziere, die zum Produkt passt, das Unternehmen aber völlig andere Werte lebt. Oder wenn die Kultur da nicht stimmt. Das alles versuchen wir immer herauszuarbeiten. Jedes Unternehmen ist im Kern andersartig. Daher sehen wir es als unsere Aufgabe, dies auch in der Kommunikation spitz hinzubekommen und eben nicht im Einheitsbrei zu versanden.
Mit einem Branding will ein Unternehmen nicht nur seine Zielgruppen erreichen, sondern auch die eigenen Beschäftigten. Wie schafft man es, eine Marke auch wirklich in das Leben eines Unternehmens zu bringen?
Wenn man das Beispiel FDP nimmt, die betreuen wir seit sieben Jahren. Da stand am Anfang eine klare Re-Fokussierung auf den Kern Freiheit und wenn diese gegeben ist, dann kannst du selbst wahnsinnig viel bewegen. Da sehen viele Kampagnen jetzt ganz anders aus, aber diesen Geist spürst du in jeder einzelnen. Das hat sich von allein in der Partei durchgesetzt. Da musste keiner kommen und sagen: So sollt ihr das jetzt machen. Das muss freiwillig sein und es muss so interessant sein, dass es freiwillig ist. Wenn man sich zu sehr anstrengen muss, einen Grundgedanken rüberzubringen, ist dieser nicht gut genug.
Wenn sich an der äußeren Situation etwas ändert, wie reagiert ihr darauf?
Bei Veränderungen von außen kannst du nur im Rahmen der Marke reagieren. Das heißt, die grundsätzliche Orientierung und wie es die Marke tatsächlich macht, muss immer gleichbleiben. Wenn jetzt etwas passiert und du denkst dir, das und das nehme ich noch mit. Wenn das nicht mit dem Thema Freiheit funktioniert – dann kann man es im Sinne der Marke nicht machen.
Viele Produkte sind sehr physisch. Daher benötigten Unternehmen neue Herangehensweisen, um sie zu vermarkten, Beispiel Autoindustrie. Welchen Einfluss hatte Covid-19 auf euch in der Kommunikation?
Bei einem Autokauf ist der finale Conversion-Punkt die Probefahrt. Diese war aber zeitweise nicht möglich. Viele der Aspekte, die sich verändert haben, sind sehr nah am Produkt, worauf wir nur wenig Einfluss haben. Als Werbeagentur können wir auf den Zeitgeist und die emotionale Lage reagieren. Nach 1,5 Jahren mehr oder weniger Lockdown und sehr ernsten Kampagnen möchte man auch mal wieder lachen und sich freuen über eine Kommunikationsmaßnahme. Das reflektieren wir sehr stark mit unserer letzten Arbeit für Trolli. Die Leute wollen auch wieder fröhliche Botschaften: Let the fun win! Habe einfach mal Spaß und iss einen Trolli Fruchtgummi. Das funktioniert auch wahnsinnig gut. Die Botschaft hat aber auch das Potenzial zu einer länger laufenden Plattform, weil es eine Grundhaltung zum Leben ist. Es macht am Ende auch keinen Spaß, wenn jeden Tag der Ernst gewinnt.
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Das Interview erschien als Teil der Jubiläumsausgabe des Mehrwerts. Die gesamte Ausgabe mit allen Artikeln befindet sich hier. Viel Spaß bei der Lektüre.