Wie Social Media FOMO (fear of missing out) steigert | MTP e.V.

FOMO ist seit ein paar Jahren fest im Wortschatz der Millennials verankert und bedeutet übersetzt „Die Angst, etwas zu verpassen.“ Immer wieder wird FOMO als erste Social Media Krankheit bezeichnet 1. Przybylski et al. (2013) schreiben folgendes: „FOMO ist definiert als die allgegenwärtige Befürchtung, dass andere lohnende Erfahrungen machen könnten, bei denen man abwesend ist, und zeichnet sich durch den Wunsch aus, ständig mit dem in Verbindung zu bleiben, was andere tun.“8

COVID 19 hat unser Leben komplett auf den Kopf gestellt und FOMO auf ein ganz neues Level gebracht. Sollte nicht die Studienzeit die beste Zeit unseres Lebens werden? Sollten wir nicht Nächte durchtanzen, anstatt pünktlich vor der Ausgangssperre wieder Zuhause zu sein? Sollten wir nicht Freundschaften schließen, die für immer halten? Sollten wir nicht Erinnerungen sammeln, an die wir in 60 Jahren lachend zurückdenken? Je länger Corona ein Thema bleibt, desto mehr leiden wir unter der Angst, die beste Zeit unseres Lebens zu verpassen. Allerdings war FOMO auch vor der Pandemie schon ein Thema – besonders getrieben durch Social Media.

Der ständige Zugriff auf soziale Medien macht es möglich, dass wir als Nutzer dauerhaft sehen können, was wir verpassen. Das führt unter anderem Unzufriedenheit, dem Gefühl von Unwürdigkeit und reduziert vorübergehend das Selbstwertgefühl. Lup et al. (2015)3 erklären, dass wir auch ständig überarbeiteten Bildern von z.B. Prominenten ausgeliefert sind, die uns unrealistische Vergleiche ziehen lassen, was negative Gefühle über sich selbst auslöst.

Immer und immer wieder vergleichen wir unterbewusst das Leben der anderen mit unserem. Während wir (prä-Corona) Zuhause über unseren Statistikaufgaben verzweifeln, zeigt uns Instagram Bilder von Menschen, die in ihrem perfekten Körper am Strand liegen oder einen Cocktail auf einer Dachterrasse in New York trinken. Unser Blick schweift kurz wieder zu dem zerknitterten Blatt mit Regressionsanalysen und dann wieder zu dem Leben da draußen, das wir gerade verpassen. Und schon kommen die vielen kleinen Gedanken in uns hoch: „Warum kann ich es mir nicht leisten, die Welt zu bereisen? Warum bin ich nicht so schlank? Warum habe ich nicht so viele Follower? Ich werde nie so erfolgreich sein. Ich werde nie so berühmt sein. Warum habe ich kein Auslandssemester gemacht? Mein Leben ist so langweilig…“ Und dann ist das, was wir haben plötzlich wieder nicht genug. „Die Schlüsse, die Betroffene daraus ziehen, sind meist ebenso negativ wie falsch. Mein Leben kann nicht mit denen der anderen mithalten und ich muss etwas daran ändern, um nicht den Anschluss zu verlieren. Der Beginn eines ewigen Wettrennens, das man am Ende nicht gewinnen kann.“12

Baker, Kreiger, and Leroy (2016)4 untersuchen eine Stichprobe von 168 US-amerikanischen College-Studenten und stellen fest, dass höhere FOMO-Werte mit einer höheren Inzidenz von depressiven Symptomen und negativeren körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Atmenot, Brustschmerzen und Halsschmerzen verbunden sind. Zusätzlich zeigen die Forscher, dass ein erhöhter FOMO-Wert positiv mit der Zeit verbunden ist, die in sozialen Medien verbracht wird. Mit anderen Worten: Wir wollen nichts verpassen und schauen deshalb immer und immer wieder auf Social-Media-Kanälen nach den Neuigkeiten. Wir wollen über den neusten Trend mitreden und alle Instagram-Insider kennen. Wolniewicz et al. (2018)5 zeigen auf, dass ein Mensch mit hohem FOMO eher dazu tendiert, das Smartphone für Social Media zu nutzen, um mit dem sozialen Netzwerk verbunden zu bleiben. Tunc-Aksan & Akbay (2019)6 ermitteln unter anderem, dass auch FOMO die Social Media Sucht prognostizieren kann: Je höher FOMO, desto höher ist die Social Media Sucht. Auch Blackwell et al. (2017)7 erhalten dieses Ergebnis. Gleichzeitig steigert die Nutzung von Social-Media-Kanälen eventuell wiederum FOMO10. Darüber hinaus wirkt sich FOMO, laut Moore und Craciun (2020)9 signifikant positiv auf die Einstellung zu Instagram aus.

Neben allen diesen negativen Aspekten, gibt es trotzdem noch Hoffnung. Roberts und David (2019)10 ermitteln, dass „FOMO sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken kann, wenn auf sozialen Medien in einer Weise reagiert wird, die die soziale Verbindung fördert.

FOMO wird auch in der Werbung verwendet, um den Kunden zum Impulskauf zu überreden. „Über 60% der Millennials gaben an, dass sie Einkäufe auf der Basis von FOMO tätigen.“11 Eine mögliche Methode ist das Aufzeigen von verpassten Chancen, und dem Hinweis, dass man zukünftig wieder etwas verpasst, wenn man jetzt nicht kauft. Außerdem kann auch ein kleiner verbleibender Lagerbestand oder ablaufende Countdowns den Verkauf fördern.11

Aber was können wir machen, wenn FOMO uns mal wieder quält? Hier sind ein paar Tipps:

  1. „Beginne damit, den Augenblick zu genießen und im Hier und Jetzt zu leben. Die schönsten Momente im Leben geschehen schließlich analog.“13
  2. „Jeder Mensch ist anders! Das klingt trivial, doch FOMO basiert zu großen Teilen darauf, dass Menschen glauben, etwas machen zu wollen, was anderen Spaß macht. Vielleicht sind Sie aber gar nicht der Mensch, der jedes Wochenende bis in die Morgenstunden im Club feiert, vielleicht haben Sie bei Reisen auch nach spätestens zwei Wochen Heimweh.“12
  3. „Zudem ist es empfehlenswert, dein Handy strukturierter und bewusster im Alltag zu benutzen. Dafür kannst du dir beispielsweise zwei bis drei feste Zeitpunkte am Tag setzen, um nur dann deine neuen Nachrichten zu überprüfen.“13
  4. „Du hast es nicht nötig, dich auf sozialen Netzwerken mit Anderen zu vergleichen. Lerne stattdessen, dankbar zu sein für das, was du hast. Seien es deine Familie und Freund*innen, ein Job, der dich erfüllt, oder vielleicht auch ein Hobby, mit dem du deine Leidenschaft ausleben kannst“.13

Social Media ist heutzutage nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Warum auch, wenn unser Leben dadurch so bereichert wird? Wir können alle unsere Freunde durch einen neuen Post darüber updaten, was gerade in unserem Leben passiert. Durch Instagram und co. ist das alles innerhalb von Sekunden möglich. Wir können uns durch Influencer über neue Trends auf dem Laufenden halten und uns auf Seiten wie Pinterest inspirieren lassen. Uni-Kanäle informieren uns auf ihren Instagram Accounts über alle wichtigen Termine und unser Selbstwertgefühl steigt mit jedem neuen Follower. Aber neben allen Vorzügen und guten Argumenten, warum Social Media unseren Alltag verbessert, sollten wir im Blick auch behalten, wie es uns auch schaden kann.

Autorin:

Vanessa Raudies

GS Köln

Quellen:

  1. https://www.tk.de/techniker/magazin/digitale-gesundheit/fomo-2048966 und https://www.wiwo.de/erfolg/fear-of-missing-out-woher-diese-angst-kommt-und-wie-wir-sie-besiegen-koennen/20020716.html
  2. Abel et al., 2016: Social media and the fear of missing out: Scale development and assessment. Journal of Business & Economics Research (Online)
  3. Lup et al., 2015: Instagram #Instasad?: Exploring associations among Instagram use, depressive symptoms, negative social comparison, and strangers followed. Cyberpsychology, Behavior & Social Networking
  4. Baker, Kreiger, and Leroy (2016): Fear of missing out: Relationships withdepression, mindfulness, and physical symptoms. Translational Issues in Psychological Science
  5. Wolniewicz, C. A., Tiamiyu, M. F., Weeks, J., & Elhai, J. D. (2018). Problematic smartphone use and relations with negative affect, fear of missing out, and fear of negative and positive evaluation. Psychiatry Research, 262, 618–623. doi:10.1016/j.psychres.2017.09.058
  6. Tunc-Aksan, A., & Akbay, S. E. (2019). Smartphone addiction, fear of missing out and perceived competence as predictors of social media addiction of adolescents. European Journal of Educational Research, 8(2), 559-566. doi: 10.12973/eu-jer.8.2.559
  7. Blackwell, C. Leaman, R. Tramposch, C. Osborne, M. Liss, 2017. Extraversion, neuroticism, attachment style and fear of missing out as predictors of social media use and addiction
  8. Przybylski, A. K., Murayama, K., DeHaan, C. R., & Gladwell, V. (2013). Motivational, emotional, and behavioral correlates of fear of missing out. Computers in Human Behavior, Abstract (Seite 1841).
  9. Kelly Moore and Georgiana Craciun (2020). Fear of Missing Out and Personality as Predictors of Social Networking Sites Usage: The Instagram Case
  10. James A. Roberts & Meredith E. David (2019): The Social Media Party: Fear of Missing Out (FoMO), Social Media Intensity, Connection, and Well-Being, International Journal of Human–Computer Interaction, Seite 5, DOI: 10.1080/10447318.2019.1646517
  11. https://www.trustmary.com/de/blog/7-echte-beispiele-fuer-die-angst-etwas-zu-verpassen-fomo-in-der-werbung-die-sie-kopieren-koennen/
  12. https://karrierebibel.de/fomo-die-angst-etwas-zu-verpassen/
  13. https://utopia.de/ratgeber/fomo-was-du-gegen-die-fear-of-missing-out-tun-kannst/
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